Die Neuseeländerin Lorde ist erst 16 und schon in den Charts. Auf ihrem Debütalbum singt sie pointierte Lieder über die „teenage angst“ unserer Zeit und wird zur Stimme der Post-Internet-Generation.
Lorde, die mit ihren 16 Jahren gerade weltweit die Charts durcheinanderbringt, ist viele. Der kollektive Platzhalter „We“ findet sich auf ihrem Debütalbum unzählige Male.Aber nicht etwa als Ausdruck der Zweisamkeit, wie man ihn abgedroschener Liebeslyrik kennt. Lordes Wir meint jene, deren Lebensumstände so sind wie ihre eigenen: Wohlbehütet aufgewachsen in den Vororten dieser Welt, findet man erst mal alles ganz in Ordnung. Aber blickt man durch den Bildschirm seines Smartphones auf die Welt da draußen, wird man hineingesogen in ein Spannungsfeld aus Narzissmus, Nihilismus und Facebook-Profilneurosen.
Es ist eine ganz neue Form der teenage angst, der da in der Wolke herangeschwebt kommt. Was macht man also? Man füllt den riesigen Leerraum aus 08/15 und Nichts mit schwelgerischen Tagträumen und singt zum Beispiel davon, wie man das Präsentieren von Reichtumsinsignien in Rap-Videos einerseits verabscheut, aber irgendwie auch ganz gut findet. Wie man sich die Nächte mit Ketterauchen und Trinken um die Ohren schlägt und neue Kunstformen auf den scheinwerferbeschienenen Tennisplätzen der Stadt ins Leben ruft.
Das Schöne an Lorde ist, dass keines der zehn Stücke auf Pure Heroine einer streberhaften Bestandsaufnahme gleichkommt oder gar den Eindruck erweckt, hier würde jemand für seine Generation sprechen wollen. Wie ihre literarischen Vorbilder Raymond Carver und Sylvia Plath sieht die Neuseeländerin einfach hin und erzählt.
Mal fließend ironisch, mal in naivem Tagebuchsprech montiert Lorde die Stilisierung von Nichtigkeiten und die Nostalgie der Neunziger zu einer lakonischen Standortbestimmung der Post-Internet-Generation. So wie in Ribs, dem wohl besten Stück der Platte. Es erzählt von Lordes großer Angst, alt zu werden. Und wenn ein Teenager voller Überzeugung „I want ‚em back, the minds we had, It’s not enough to feel the lack, I want ‚em back“ singt, und mit „I’ve never felt more alone, it feels so scary, getting old“ fortfährt, kann das einerseits schön, andererseits auch beängstigend sein.
Lordes Stimme changiert zwischen Feist und Florence Welch, zwischen kraftlosem Hauchen und glasklarem Rap. Sie erinnert mal an die erhabene Traurigkeit eines Sophia-Coppola-Films, mal an naive Disney-Romantik – ganz ohne die anstrengende Larmoyanz einer Lana del Rey oder den einstudierten Trashtalk einer Miley Cyrus.
Die berückende Melancholie dieses Mädchens kommt klanglich und textlich derart pointiert daher, wie man es im Pop nur selten vorfindet.
„Pure Heroine“ von Lorde ist erschienen bei Universal.