Unser irrer Lieblingsprophet: In seinem Paralleluniversum schraubt Felix Kubin Dada und NDW zu neuen Klangwelten zusammen. Sein Album „Zemsta Plutona“ ringt mit dem Weltuntergang.
Während New Horizons, das Raumfahrzeug auf dem Weg zum Pluto, den Zwergplaneten ungefähr im Juli 2015 erreichen wird, ist das neue Soloalbum von Felix Kubin schon da. Zemsta Plutona heißt es, polnisch für: „Die Rache Plutos“. Das zeigt, was Walt Disney schon immer wusste: Dass Pluto ein cooler Hund ist und uns nicht wirklich böse dafür sein kann, dass er im Jahr 2006 offiziell aus der Riege der amtlich anerkannten Planeten hinausdegradiert wurde.
Dass sich Felix Kubin überhaupt für die Rache Plutos interessiert, ist erstaunlich. Schließlich scheint sich der Hamburger schon seit frühester Kindheit in einem Universum fern des unseren zu bewegen. Dort klingt das Plastik und scheppert das Blech in unmöglichsten Konstellationen, und wenn der künstliche Rauch verflogen ist, erhascht man einen Blick auf den Meister: ein Typ, der aussieht, als wäre er von einem Kraftwerk-Plattencover gestiegen und übernähme gleich das Kommando auf dem Raumschiff Enterprise. Zum Beispiel um den Weltuntergang zu inszenieren – nur weil das so herrlich gut aussieht.
Wenn er auf der Erde ist, brilliert er als nimmermüder Komponist von Alben, Hörspielen, Film- und Theatermusik. 2012 beispielsweise gewann seine Produktion Orphée Mécanique den Preis Hörspiel des Jahres. Es basiert auf der antiken Sage von Orpheus und Eurydike – nur dass Kubins Orpheus natürlich Popstar ist und auf seinem Instrument Psykotron Gedanken in Musik verwandeln kann. Den schweren Mythenballast braucht er aber eigentlich gar nicht: Seine Performance Ich will aufwärts ich will abwärts und sein Hörspiel Wiederhole 1-8 sind künstlerische Auswertungen von Bedienungsanleitungen.
Zemsta Plutona, die neueste Meldung aus dem Kubin-Universum, teilt sich in zwei Teile: Die atmosphärischen Stücke würden sich als Filmmusik für verschiedenste Genres – vom Schwarz-Weiß-Krimi der 1960er bis zur aktuellen Gatsby-Verfilmung – eignen. Hinzu kommen Songs, deren Faszination vor allem von den Texten ausgeht. Gesungen wird auf Deutsch, Englisch und Französisch – immer nach dem Motto: Wo gerade noch Assoziation war, soll Dada werden! Das zeigt sich manchmal schon im Titel der Songs: Piscine Résonnez!, (Schwimmbad, Tönt!), heißt einer. Und der Pressetext assistiert mit der Information, dass „aufgebrachte Französinnen“ hier etwas über Manta-Rochen brüllten.
Unverständlichkeit ist in Kubins Paralleluniversum aus NDW und Wahnsinn aber kein Problem. Sein Prinzip ist es, die Lust am Moment vor dem Untergang, an Konstruktionen, die im nächsten Augenblick zusammenstürzen müssen, produktiv zu machen. Sprachlich wie musikalisch, so auch im Song Swinging 40s: Was anfangs wie eine simple Kopie einer kleinen, zeitgenössischen Melodie anmutet, wird langsam und genüsslich ins Kaputte getrieben. Irgendwann läuft das Orchester nicht mehr rund, die Linien verwirren sich, es geht schneller, dann wieder langsamer – bis jegliche musikalische Statik verloren ist.
Diese Zusammenstöße von Krach und Musik inszeniert Kubin mit einem Instrumentarium, das von seinen Standardbegleitern – analogen Synthies – über Schlagwerk, Trompete und Posaune angeblich bis zum Wäscheständer reicht. Es piept und fiept an allen Ecken und unten im Keller stampfen die Rhythmusmaschinen schnaufend vor sich hin. Zemsta Plutona, die Rache des Pluto, der seinen Namen immerhin vom römischen Gott der Unterwelt hat: Sie liegt darin, uns unsere Welt mit Pauken und Elektronik kurz vor der selbst verschuldeten Zerstörung vorzuführen. Mit Felix Kubin als irrem Propheten.
„Zemsta Plutona“ von Felix Kubin ist erschienen bei Gagarin Records.