Ein großer Wurf im noch jungen Popjahr: Das französische Indiequartett Griefjoy knüpft an bei Coldplay, A-Ha und Yeasayer und schafft aus vertrautem Sound eine überraschende Eigenständigkeit.
Bands, die stark von Schlagzeugern geprägt sind, schlagen meist ruppigere Töne an. Erst Tim Alexander machte den Hardcore von Primus ja jazzig und somit außergewöhnlich. Nur dank Kyle Stevenson wurde Helmet mehr als eine Alternativecombo unter vielen. Weil John Bonham so lässig am Takt vorbeitrommelte, verseifte Led Zeppelin doch nicht im Glamrock. Und man stelle sich nur mal Slayer ohne Dave Lombardos Doublebass vor. Schlagzeuger sind halt oft harte Jungs, weshalb sie sanfterem Pop nur selten ihren Stempel aufdrücken.
Romain Chazaut ist ungefähr so hart wie Marmelade und seine Band Griefjoy wie die Butter darunter. Dennoch drückt der Drummer mit dem Dackelblick seinem blutjungen Indiepopquartett Griefjoy mehr als nur irgendwas auf; vor allem nämlich bewahrt er die schnuckeligen Franzosen davor, eine hübsch anzuschauende Phoenix-Kopie mit oberflächlich verwendetem Dictionnaire-Englisch zu sein.
Und mehr noch: Seine pointiert-kreativen, mal rastlosen, mal unterschwelligen Beats treiben dem melodramatischen Eklektizismus der vier Jugendfreunde so dynamisch den Trübsinn in Moll aus den zehn Liedern ihres Debütalbums, dass daraus nicht bloß die nächste Eloge eines weiteren Kollektivs larmoyanter Fusselbarthipster wird. Sondern ein ganz großer Wurf des jungen Popjahrs.
Stücke wie das getragene Eröffnungsstück Taste Me, in dem sich Romain Chazaut zugunsten von Guillaume Ferrans gläserner Stimme noch einigermaßen zurückhält, sind daher ebenso untypisch für das Album wie das anschließende Feel, in dem David Spinellis flächiges Keyboard den Ton angibt.
Brillanz erlangen Griefjoy auf ihrer gleichnamigen Platte erst zur Mitte hin, wenn übers technoide People Screwed up ein technoider Trommelfuror hetzt, der Ferrans Liebeskummergesang passgenaue Intermezzi lässt, bis Bass und Felle wieder vibrieren. Wenn Chazaut die hoffnungsschimmernd melodische Videovorlage Touch Ground immer wieder mit fast industriellem Stakkato unterlegt. Wenn er in Blind Visitors die Kesselränder zum vielstimmigen Extra-Instrument veredelt. Wenn Crimson Rose durch präzise wechselnde Taktfolgen beinahe sinfonischen Charakter erhält, was im nach folgenden Kids turn around so weitergeht.
So steigern sich Griefjoy Stück für Stück für Stück in Richtung einer Klangdichte, die an vieles erinnert, was hinlänglich bekannt ist, allerdings eine Eigenständigkeit entfaltet, der man sich kaum entziehen kann. Einer, der am Ende eben auch Chazauts Bandkollegen ihre Stempel aufdrücken: mit frickeligen Samples, unerwarteten Hintergrundgesängen und so mancher irren Wendung in Chanson, Ethno, Wave und Elektro.
Das klingt zuweilen, als würden A-Ha plötzlich Stonerrock spielen, als trieben die Yeasayer Coldplay den leidigen Stadiongestus aus. Es klingt also unerhört vertraut und gleichsam überraschend gut. Dass die vier Franzosen dabei auch noch zum Knuddeln aussehen, kann man ihnen ja nicht zum Vorwurf machen.
Griefjoy ist erschienen bei Sony.