Feministische Standortbestimmung und Kapitalismuskritik, und alles mit Gitarre! Die junge schwedische Indie-Band Könsförrädare hat eine Mission.
So paradox das in Kombination klingt, so gut haben es längst andere vorgemacht. Sleater-Kinney den sich überschlagenden Gitarrenrock, The Organ den verorgelten Pop, der altmodischen Soul mit neuer Eile anzog, und Electrelane die zerkrachten Melodien. Ihre Messer behielten dabei alle stets im Ärmel; wie wütend ihre Songs auch wurden, so wenig fuchtelten sie mit feministischen Parolen herum. Könsförrädare fahren den Krach nun noch ein paar Stufen runter.
Wer die Band aus dem kleinen nordschwedischen Luleå nur über ihren Song Raging River kennt, könnte sie leicht für nicht mehr als die nächste skandinavische koedukative Spielgruppe halten. Könsförrädare aber haben eine Mission, dafür steht schon ihr Name.
Niemand nennt sich Könsförrädare, ohne das ständig erklären zu wollen. Den Begriff hat die Band der Legende nach aufgeschnappt, als eine feministische Politikerin ihn als Beleidigung für Frauen prägte, die als „Geschlechtsverräterinnen“ mit Männern schliefen, um ihn dann für sich positiv umzudeuten. Das funktioniert, vor allem außerhalb von Schweden, wo die radikale Tiina Rosenberg sowieso niemand kennt und man sich lieber mit musikalischen Exporten beschäftigt, aber es sorgt gleichzeitig auch dafür, dass das Zungenbrecherwort so schnell nicht in Vergessenheit gerät. Google haben sie damit längst gewonnen.
Raging River gab es schon vorab zu hören, ein an den richtigen Stellen verzerrtes Stück Indiepop mit leicht ungemütlichen Strophen voll hohem Gesang, dazwischenfunkendem Keyboard und störrischem Rhythmus, das sich zum Refrain weit öffnet. Wären da nicht Zeilen wie „You can’t walk on me, you’ll drown“ oder „I don’t make music with my crotch“, könnte man auch annehmen, dass Könsförrädare es einfach mit der Natur haben.
Viel deutlicher wird es auf dem Album Curse All Law textlich auch nicht. Wer zuhört und mitdenkt, erkennt in den Songs nicht nur feministische Standortbestimmung, sondern auch Kapitalismus- und Systemkritik und in Okay die Manifestation all der Selbstverteidigungskurse, in die sie anscheinend auch in Schweden ihre Mädchen schicken: „I said it’s not okay again.“ Für griffige Slogans sind Könsförrädare nicht zu haben, aber das sind Poeten ja selten.
Was auch bedeutet, dass man ihre Songs, wie die der eingangs genannten Bands, hören und mögen kann, ohne irgendeine Ahnung zu bekommen. Das klackernde Finger On The Trigger verstört dann nur mit Durcheinandergesang einer ruhigen und einer aufgewühlten Stimme, bevor ein sanfter Trommelwirbel alles wieder beruhigt. Second Coming wird zur leidenschaftlichen Referenz an den Neunziger-Indierock mitsamt schiefem Klavier und der nächsten eigenwilligen Zweitstimme über einem entspannten Gitarrenbett.
Und das sechs Minuten lange Removed, Included / Glass Mountains ist einfach nur eine Meditation über das persönliche Raumbedürfnis in einer Beziehung aus der einfachsten kleinen Gitarrenmelodie der Welt und ein bisschen Wabern dahinter, die in der gruselig geflüsterten Erkenntnis mündet: „I’ve never felt so much alike.“ Das sind private, politische Zeilen. Kluge Kids, Könsförrädare.
„Curse The Law“ erscheint bei Teg/Cargo.