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Der Urschrei kommt vom Halsschmerz

 

Auch Schrammeln muss man können! Je lauter und verquerer die Punkband Kitt Wolkenflitzer spielt, desto besser wird ihr ohnehin gutes Debütalbum Vom Aufstehen und Stehen bleiben.

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Was sind Punks heute doch für schlaue Kerle. Gründen ihre Bands nicht mehr aus Langeweile an Kunsthochschulen, in Klamottenläden oder auf Bauwagenplätzen, sondern nach dem Foucault-Seminar in der Mensa. Brüllen ihre Beobachtungen in die Welt statt Provokationen. Vor allem an norddeutschen Unis werden heute scheinbar eher Punkbands als Lesekreise gegründet. Es ist gar nicht mehr so einfach, die wirklich guten zu entdecken.

Das hier ist eine: Kitt Wolkenflitzer. Vier junge Männer aus Oldenburg und Berlin, in ihrem Fall wurde die Band wohl eher nach dem Audiologie-Seminar geschmiedet. Eruption statt Exzellenz – gerader Bass, trockenes Schlagzeug, himmelschreiende Akkorde und rotzige Verse. Sie selbst nennen sich Möchtegernpunks. Vielleicht weil sie ihr Bier dann auch aus Flaschen trinken dürfen? Zumindest dämpft es die Erwartungen. Völlig zu Unrecht.

Am Anfang ihrer Platte Vom Aufstehen und Stehen bleiben steht ein Urschrei, der kündet noch mehr von Halskrankheit als tatsächlichem Schmerz. Der Gesang, nennen wir das einfach mal so, ist recht nah bei der Flensburger Band Turbostaat, so schräg und so überraschend. Es ist der Schlagzeuger, den man hier meist hört – auf der Bühne ist das ungewöhnlich. Er ruft und kreischt und hampelt hinter seiner Batterie, stellenweise gibt er gar den exaltierten Emorocker. Künstlername Bayern-Andi, wegen der Herkunft, nicht wegen Fußball.

Seine Texte sind eher kryptisch als parolenhaft. Viele Bilder wiederholen sich, das des alten Mannes etwa. Es scheint einen doppelten Generationenkonflikt zu symbolisieren – den mit den alten Alten und den mit den jungen Alten – der „Generation Schwachmaten“, wie die uniformierten Kommilitonen im ersten Stück beschimpft werden, Finn heißt einer von ihnen später. Ansonsten wird oft und viel rumgesessen und gewartet, hier ein Bier, da eine Zigarette, werden Profilneurosen zerpflückt, verliert sich die Spur auf dunklen Straßen in viel zu bunten Städten. Schrie der Original-Punk Johnny Rotten vor dreieinhalb Dekaden noch „No future, no future for you“, heißt es bei Kitt Wolkenflitzer: „Alles bleibt beim Alten, da kann man wohl nichts tun, versuch hier was zu ändern – gescheitert!“ Im Kern bedeutet das natürlich das Gleiche.

Verpackt ist das alles in hier hübsch melodischem, dort ein wenig verquerem Punkrock. Erstaunlich professionell – möchtegernpunkig! – gespielt und produziert. Auch Schrammeln muss man können, auch Rumpeln will gelernt sein! Und je lauter man sich das anhört, desto besser passt bei Kitt Wolkenflitzer alles zusammen. Vom Aufstehen und Stehen bleiben – welch doppeldeutiger, weil gleichzeitig revolutionär und reaktionär angehauchter Titel – ist ihre erste Platte. Das mag man kaum glauben.

Ein Wort noch zum Bandnamen. Nein, der ist nicht so gut. Kit Wolkenflitzer ist der fliegende Braunbär in Käpt’n Balus tollkühner Crew. Um sich nicht mit Herrn Disney anzulegen, fügten sie ein „t“ hinzu. Und nun spielen sie Festivals mit Bands, die Der Dicke Polizist, Captain Planet und Bambix heißen. Das klingt eher nach Kindergeburtstag als nach heftigen Gitarren. Immerhin, sind ja alles auch gute Bands.

„Die Guten denken weiter, die Guten denken weiter“, geht der Refrain im letzten Stück. Schön, denkt man, wie weise. Und dann hat im Hintergrund ein anderer das allerletzte Wort: „Denkst du!“ Verflixt, da haben sie dem Foucault schließlich doch noch eins ausgewischt.

„Vom Aufstehen und Stehen bleiben“ von Kitt Wolkenflitzer ist erschienen bei Antikörper-Export.