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Summer of ’96

 

Gleich doppelt retro und so kurzweilig wie Tumblr: Die jungen kanadischen Fuzzpopper Alvvays verblenden das Schönste der Siebziger und Neunziger auf ihrem Debütalbum.

 © Gavin Keen
© Gavin Keen

Man muss sich das in etwa vorstellen wie einen Fernseher mit kaputter Bildröhre, über den sämtliche Sonnenwiesen-Foto-Tumblr laufen. Große Kunst wäre das nicht unbedingt, aber ein unwiderstehlich schönes Rauschen, das seine Fans nicht lange suchen müsste. Girlpopper. Croptopper. Longboardfahrer. Angela-Chase-Zitierer und The-Virgin-Suicides-Instagrammer. Kaugummiblasennostalgiker, Courtney-Love-Fanclub-Vorsitzende, Elternabendwahrnehmer mit heimlichen Delfintattoos, minderjährige Modeblogger, die von Asos träumen. Sie alle wären dabei.

Alvvays sind selbst so gestörte Romantiker. Seit sie vor ein paar Monaten das resigniert charmante Archie, Marry Me ins Internet geschoben haben, stehen die fünf Kanadier unter Beobachtung der Musikredaktionen. Dabei sind sie weder die Ersten, die verträumten Gesang mit Surfgitarren verwischen, noch die einzigen, die dabei immer gerade genug Bitterkeit auf der Zunge haben, um nicht ganz zu verblassen. „So honey take me by the hand and we can sign some papers„, singt Molly Rankin da nämlich in all ihrer distanzierten Lieblichkeit, „Forget the invitations, floral arrangements and bread makers„. Das ist entweder der Gipfel des brotlosen Kitsches, oder eben ein kluger Blick in seine Abgründe.

Das Debütalbum Always (es genügt ja, wenn der Bandname googlebar ist) fügt Archie nun auch nur acht Songs hinzu, die ähnlich vernünftig mit dem Herzschmerz umgehen. So watteweich wie etwa Bethany Cosentino von Best Coast und so selbstversunken wie Tracyanne Campbell von Camera Obscura singt Rankin über Geliebte, die sie im Wasser verloren hat, und für solche, die sie auf Partys gewinnen will. Nie bricht ihr die klare Stimme, sie kiekst und jubiliert an den gefährlichen Stellen sogar noch höher.

Die Drecksarbeit machen die anderen Vier. Always ist ein gefälliges Album ohne große Krachausbrüche, das den Schmutz und Staub aber trotzdem durch die Rillen trägt. Alvvays hätten ihn auch kehren und selbst zu hübsch sauberen Retropoppern wie Belle & Sebastian werden können, aber das wäre Verrat an Sonic Youth gewesen. Und so knarzt eben doch der Bass unter den luftigen Keyboardtönen, fuzzen die Gitarren Kratzer in die glatte Oberfläche, tuckern Synthies gegen die Symmetrie. Winona Ryder denkt derweil darüber nach, warum man zu Comebacks eigentlich keine Hymnen in Auftrag gibt.

Die Antwort ist natürlich, dass Nostalgie bei aller Liebe ganz schlecht darin ist, neue Erinnerungen zu schaffen. Für einen Sommer auf Tumblr ist der verträumte Fuzzpop von Alvvays der perfekte Begleiter, aber wenn der Herbst kommt, gibt es plötzlich wenig, dass sich zu verstauen lohnt. Nun, flüchtige Sehnsucht ist auch ganz schön. Der nächste Archie kommt bestimmt, bis dahin kann man mit dem aktuellen eine herrliche Romanze erleben.

„Always“ von Alvvays ist erschienen bei Transgressive.