Die Finnin Mirel Wagner singt von den tiefen Kellern der Seele. Der verlockenden Düsternis auf ihrem Album When The Cellar Children See The Light Of Day kann man sich nur schwer entziehen.
Hätte die Dunkelheit einen Tonfall, hier wäre er gut zu hören. In dieser düster tröpfelnden Gitarre, diesem verschrobenen Wattegesang, all den menschenleeren Zwischenräumen, aus denen man sich so sehr einen Hoffnungsschimmer herbeisehnt.
Und wenn schon kein heiteres Glockenspiel, dann doch wenigstens Bass, Schlagzeug, Keyboard, Chorus, egal – Hauptsache, irgendetwas hilft dem gefangenen Kind aus Mirel Wagners Keller ans Licht. Aber da ist nichts außer dunkelbunter Traurigkeit, deprimierend, trist. Es ist zum Heulen.
Nun hat die Finnin mit äthiopischen Wurzeln ihr zweites Album When The Cellar Children See The Light Of Day veröffentlicht. Darauf zeigt sie mehr noch als auf ihrem wenig beachteten Debüt, dass der viel zitierte Soul im Sound farbiger Musiker nicht zwingend grooven muss. Wenn Mirel Wagner zur Gitarre greift, bleibt die Seele verschattet und das Kellerkind in der Dunkelheit ihrer trüben Gedanken gefangen. Da regnet es zehn Stücke lang aus dicken Wolken aufs kaputte Dach darüber. Permanent geht es um alptraumhaften Herzschmerz und schmerzhafte Wachträume. Um The Devil’s Tongue, die da furchtbar an ihr leckt. Oder um schwarze Wellen aus Fleisch, Blut und Knochen, unter denen sie förmlich begraben wird. Zum Heulen, wie gesagt.
Zum Heulen schön.
So niederschlagend Text und Gitarre im Zusammenspiel schließlich beim ersten Hören wirken, so groß ist Wagners musikalische Kraft, die darin zum Ausdruck kommt. Ihr Gesang klingt meist, als käme er aus einem Puppenhaus, in dem sie gefangen ist, seltsam dürr und zart wie hinterm Schrank versteckt gesungen. Durch einen äußerst dünnen Gitarrenschleier zudem, der oft nur aus vier, fünf Noten besteht. Doch selbst wenn die zehn Stücke durchweg aus den staubigen Ecken ihres Innersten berichten, dort wo nie ein Besen hingelangt: When The Cellar Children See The Light Of Day betört durch Mirel Wagners Mut, all dem Ausdruck zu verleihen. Man wünschte ihr nur, sie würde mal brüllen, statt zu flüstern.
Einmal, zum Ende hin, tut sie es sogar. Beinahe zumindest. In Taller Than Tall Trees wirkt nicht nur der Titel wie wütende Selbstermächtigung; auch stimmlich begehrt Mirel Wagner darin kurz auf, als schlummere doch ein Furor in ihr. Doch die Frage des Eröffnungsstücks 1 2 3 4, was da unterm Fußboden schlummert, bleibt bis zum Abschiedsgruß Goodnight unbeantwortet.
Es ist eben dieses Geheimnis um Mirel Wagners Düsternis, dem man sich so schwer entziehen kann. Es macht dieses Album so traumwandlerisch schön und bei aller Tristesse unterhaltsam.
Manchmal klingt sie dabei wie die anderen aufgewühlten Stimmen des alternativen Folk: Suzanne Vega, Joan Armatrading, Ani DiFranco, Patti Smith, die vor allem. Meistens aber hockt sie stilistisch doch ganz und gar im Keller ihrer eigenen Melodramatik, eigenartig und unvergleichlich. Man würde ihr zu gern hinaus helfen. Dorthin wo noch zwei, drei weitere Alben warten, mit so viel Seele ohne Soul.
„When The Cellar Children See The Light Of Day“ von Mirel Wagner erscheint bei Sub Pop.