Seine Frau singt, sein „Tatort“-Kollege auch. Jetzt veröffentlicht der Schauspieler Jan Josef Liefers ein neues Album mit seiner Band Radio Doria. Muss das denn sein?
Der singende Schauspieler ist eine Plage, die nicht enden will. Nahezu jeder, der regelmäßig sein Gesicht in eine Kamera halten darf, meint, auch noch Musik machen zu müssen.
International taten sich da überflüssigerweise Don Johnson, Kate Winslet oder Kevin Costner hervor, und David Hasselhoff brachte bekanntlich sogar die Berliner Mauer zum Einsturz.
Aber auch die hiesige Darstellergarde steht dem in nichts nach: Willy Millowitsch sang einst Schnaps, das war sein letztes Wort, später nervte Uwe Ochsenknecht mit Altherrenrock, der Lindenstraße-Bösewicht Oliver Petszokat rappte eher schlecht als recht unter dem schnittigen Kürzel Oli P., Jeanette Biedermann versuchte sich als Tina Turner für Arme und Yvonne Catterfeld säuselt bis heute Belanglosigkeiten.
Vor allem im Umfeld von Jan Josef Liefers wird heftig geträllert. Seine Frau Anna Loos ist bei Silly eingesprungen für die verstorbene Tamara Danz, und Axel Prahl, sein Ermittlerkollege beim Tatort aus Münster, hat eine Zweitkarriere als Singer/Songwriter laufen. Liefers selbst ist schon seit Mitte der Nullerjahre neben der Schauspielerei auch als Musiker unterwegs. Anfangs hieß seine Band noch Oblivion, mittlerweile wurde sie in Radio Doria umbenannt. Die freie Stimme der Schlaflosigkeit nennt sie ihr neues Album.
Zugute halten muss man Liefers, dass er nicht nur – im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen – singen kann. Er verzichtet auch darauf, den denkbar einfachsten Weg zu gehen und sich passend zu seinem prominenten Gesicht ein paar schnittige Titel schreiben zu lassen, um die dann mit einschlägigen Studiomusikern aufzunehmen. Radio Doria, darauf legt der Schauspieler großen Wert, ist eine ganz gewöhnliche Rockband: Zwar sind die Musiker auch mit diversen anderen Projekten beschäftigt, so spielt der Keyboarder Gunter Papperitz auch für die aktuelle Ausgabe der Rainbirds oder der Gitarrist Jens Nickel für Cäthe. Aber immerhin arbeitet man in dieser Besetzung schon seit Jahren zusammen.
Das Ergebnis ist trotzdem gewöhnlicher Altherrenrock, dem man deutlich anhört, dass Liefers jahrelang mit dem Soundtrack meiner Kindheit über die Bühnen der Republik tingelte. In diesem Programm erzählte der 50-Jährige Episoden aus seiner Jugend und sang Klassiker des DDR-Rocks. Und folgerichtig sind Radio Doria nicht allzu weit entfernt von Lift, Renft, Silly oder den Puhdys, mit denen Liefers 2012 auf Tournee ging.
Das gilt nicht nur für die brave, von bräsigen Gitarren dominierte Musik, die aktuelle Entwicklungen tapfer ignoriert. Auch textlich orientiert sich Liefers an den Helden seiner Kindheit und deren verdrucksten, von der real existierenden Zensur diktierten Umgang mit der Sprache. „Wir sind Diebesgut/ Haben uns davongestohlen/ Haben unser Leben geplündert“, singt er in Verlorene Kinder, der ersten Single: „Und wenn wir stehlen/ Dann keine Uhren/ Wir nehmen uns die Zeit.“
Und so geht es fröhlich weiter: Metaphern werden überstrapaziert, das Pathos schwingt sich auf in lichte Höhen, und kryptische Ausdrucksweise tarnt sich allzu oft als Poesie. Es gibt Ausnahmen wie das locker hingetupfte Sehnsucht Nr. 7, das sich nicht zu schade ist, ein paar klare Worte zu finden. Aber allzu oft geht der erdrückende Anspruch, große Dichtkunst abzuliefern, einher mit einer Vertonung, die sich ebenfalls viel zu ernst nimmt.
Da kann der Musiker Liefers noch etwas lernen vom Schauspieler Liefers: Der ironische Abstand zur eigenen Rolle, den er vor allem als Tatort-Leichenbeschauer Börne demonstriert, täte auch Radio Doria gut.
„Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ von Radio Doria ist erschienen bei Polydor/Universal.