Love Inks aus Texas definieren die Kraft der Reduktion völlig neu. Ihr Album EXI feiert die Kraft der kleinen Gefühle. Wer waren noch The XX?
Es ist ja leider so, in der Fiktion wie in der Realität, im Krieg wie in der Liebe und überall, wo es um Emotionen geht: Die kleinen Gefühle haben es schwer gegen das große, das aufwallende Pathos. Doch auch die kleinen Gefühle wollen ab und zu wahrgenommen werden. Erhört. Geteilt. Nachempfunden. Im Überfluss der Effekthascherei von heute ist das allerdings nicht immer so einfach.
Dass flüsternde Propagandisten der Stille wie The XX oder William Fitzsimmons trotzdem große Hallen füllen, scheint da eher ein Missverständnis zu sein. Ein bestens vermarktetes, zugegeben. Aber eben doch irgendwie anachronistisch, zufällig, den richtigen Leuten am richtigen Hebel geschuldet.
Wer sich als Musiker nicht auf das Urteil dieser richtigen Personen an den richtigen Hebeln verlassen möchte, aber dennoch Ruhe bewahren, ist gut beraten, sich etwas Ausdrucksstarkes im Leisen zuzulegen. Zum Beispiel dies: ein Bass, stoisch unters verwehende Nichts getupft, bumbumbumbumbum, ohne Anschwellen, ohne Abebben, einfach immer da, als sei er zufällig ins Lied geraten und nicht mehr verschwunden. Es ist das Grundwummern unter dem bezaubernden Minimalpop des texanischen Trios Love Inks. Ein Taktgeber, so stoisch wie betörend.
Gleich zu Beginn ihres neuen Albums EXI rappelt er mit gefühlten 130 bpm durchs sacht umherschwappende Shoot 100 Panes of Glass, in dem die Sängerin Sherry LeBlanc kaum hörbar fragt, wo das ganze Gehabe um sie herum bloß enden soll. Seine Herkunft undefinierbar, suggeriert der unbeirrbare Rhythmus auch in den folgenden Stücken Geschwindigkeit, wo keine ist. Eine Dynamik, die gar nicht gewollt wird und doch erzeugt. Dawn/Poem – bumbumbumbumbum. Don’t Hear That – bumbumbumbumbum. Way Out – bumbumbumbumbum. Nie versiegend, immer da, unhörbare Lautstärke, fabelhaft.
Mithilfe dieses kleinen Widerspruchs schafft es das Dreigestirn aus dem Pop-Mekka Austin nämlich nicht nur, den Minimalismus ihres Debütalbums E.S.P. vor drei Jahren zu unterbieten; Love Inks definiert die Kraft der Reduktion völlig neu. Mit Adam Linells Gitarrenzupfen und dem Wenigen, das Bassist Kevin Dehan so unter Grundierung versteht, eröffnet sich Lied für Lied die Kunst des dramaturgischen Understatements, ohne dabei in Selbstgefälligkeit zu versanden.
Anders als The XX und William Fitzsimmons muss man also nicht gelegentlich kontrollieren, ob die Anlage noch Strom hat oder die Box ein Loch. EXI hat Substanz. EXI wirkt stets greifbar. EXI ist manchmal sogar richtig komplex. In Sky Machine gönnen sich die zehn Tracks sogar mal ein rauschendes Rockzitat, das im anschließenden Text Message zum richtig schrägen Geschrammel anwächst. Und zwischen den Zeilen von New West scheint Sherry LeBlanc mal fast so etwas wie Stimmvolumen zu entwickeln.
Das bleibt auch mit technoidem Takt in seiner Reduktion ergreifend und schön. Die kleinen Gefühle brauchen kein Pathos. Wenn sie aus dem Inneren echter Musikalität stammen, schaffen die kleinen Gefühle das auch so.
„EXI“ von Love Inks erscheint bei Republic of Music.