Zunächst galt Azealia Banks als großes Raptalent, dann als streitsüchtig und selbstverliebt. Ihr seit Jahren erwartetes Debütalbum zeigt jetzt, wie gut das eine zum anderen passt.
Wer fast drei Jahre auf der Strafbank saß, hat natürlich keine Zeit zu verlieren. Schon während der ersten drei Tracks von Broke With Expensive Taste rappt und singt Azealia Banks auf Englisch und Spanisch, über Beats, die von Jazz, Salsa, 2-Step, Ambient, No Wave und Afrobeat gleichermaßen inspiriert wirken.
Sie klingt atemlos und aufgekratzt, verliert aber nie das Gleichgewicht. Broke With Expensive Taste ist das Debütalbum der 23-Jährigen aus Harlem und zugleich die Rückmeldung einer Künstlerin, die viele schon abgeschrieben hatten.
Nachdem sie im Dezember 2011 auf ihrer ersten Single 212 US-amerikanische Rap-Schweinereien mit britischer Tanzmusik verband, galt Azealia Banks als kommender Star. Aber dann wurde sie Opfer undurchsichtiger Majorlabel-Politik und ihrer eigenen Querköpfigkeit. Während Broke With Expensive Taste immer wieder verschoben und Banks letztlich auf eigenen Wunsch aus ihrem Plattenvertrag entlassen wurde, endeten ihre Kollaborationen mit anderen Künstlern regelmäßig in öffentlich ausgetragenen Streitereien: Die begabte Rapperin schien noch begabter als Twitter-Troll.
Nun ist Broke With Expensive Taste ohne vorherige Ankündigung oder Werbung erschienen, plötzlich stand es einfach zum Download bereit. Die gewählte Art der Veröffentlichung ist nur auf den ersten Blick symbolträchtig. Banks gibt sich nicht geläutert oder auf „das Wesentliche“ besonnen. Vielmehr begreift sie die kratzigen Seiten ihrer Persönlichkeit als Komplizin und präsentiert ein Album, das ist wie sie selbst: rasant und versaut, vorlaut und verbohrt, selbstbewusst bis in die Haarspitzen und auf keine Stoßrichtung festgelegt.
Die größte Überraschung daran: Nach gescheiterten Projekten mit Pharrell, dem Großproduzenten Paul Epworth (Adele, Coldplay, FKA Twigs) und vielen anderen erweist sich Broke With Expensive Taste als Platte der geschlossenen Mannschaftsleistungen. Die Kollaborateure kommen aus aller Herren Länder und Genres und spielen Banks mit ihren Schrullen in die Karten. Der Retro-Pop-Weirdo Ariel Pink liefert ein schrottreifes Surf-Rock-Instrumental, der Trance-Rap-Innovator Araab Muzik lässt tausend Glocken klingeln. Einmal klimpert dort, wo bei anderen der Bass dröhnt, ein Xylofon vor sich hin.
Broke With Expensive Taste ist jedoch nicht nur eine trendinformierte Rap-Platte, die jeden Geheimgang zwischen Londons Garage- und Atlantas Stripclubs zu kennen scheint. Das Album räumt auch mit der Annahme auf, dass junge Künstlerinnen auf die Führung erfahrener Produzenten und die Ressourcen großer Plattenfirmen angewiesen sind. Banks lässt sich nicht auf eine Handvoll klar definierter Kaufanreize zusammenkürzen. Gerade weil sie keine Berührungsängste kennt und keine Schwerpunkte setzt, wird ihr Debütalbum zum Manifest der Selbstbestimmung.
Ihr dabei zuzuhören, wie sie diese Selbstbestimmung auskostet und im Minutentakt neue Versionen von sich selbst erfindet, gehört zu den Höhepunkten des Rapjahres. Ihre mit rauem New Yorker Akzent vorgebrachten Texte kreisen um die Steine auf dem eigenen Karriereweg, lassen keine Schlüpfrigkeit aus und rechnen eher genüsslich als verbittert mit den Zweiflern und Einmischern ab. Fast drei Jahre hat Azealia Banks auf diese Möglichkeit gewartet. Da darf sie sich auch ein Album erlauben, das vor allem sagt: „Ich hab’s euch ja gleich gesagt.“
„Broke With Expensive Taste“ von Azealia Banks ist erschienen bei Prospect Park.