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Tortenschlacht der Gangsta-Rapper

 

Die berühmteste Gruppe der Hip-Hop-Geschichte verabschiedet sich: Das voraussichtlich letzte Album des Wu-Tang Clans ist eine Sensation. Allerdings nur, weil es überhaupt zustande gekommen ist.

© Warner Music Group
© Warner Music Group

Manche Leute halten die Organisation eines G-8-Gipfels für eine logistische Herausforderung. Diese Leute haben natürlich keine Ahnung von den Interessen und Befindlichkeiten der acht Egos, mit denen Robert „RZA“ Diggs schon sein halbes Leben jongliert.

RZA ist der Anführer des Wu-Tang Clans, also der berühmtesten Gruppe der Hip-Hop-Geschichte. Es war dem Produzenten und Rapper ein besonderes Anliegen, den 20. Geburtstag des Wu-Debüts Enter The Wu-Tang (36 Chambers) mit einem letzten gemeinsamen Album zu feiern. Damit ist RZA auf ganzer Linie gescheitert.

Zunächst einmal gilt das, weil der 20. Geburtstag von Enter The Wu-Tang bereits im November 2013 stattgefunden hat. Streitigkeiten über die Richtung der Jubiläumsplatte, demotivierte Mitglieder und unzählige andere Verpflichtungen verhinderten die rechtzeitige Veröffentlichung von A Better Tomorrow. Es gilt jedoch auch, weil das – nun doch noch fertiggestellte – Album nicht Zeugnis ablegt von der ungebrochenen Bedeutung des Wu-Tang Clans. Sondern von seiner chaotischen Entstehungsgeschichte.

Das müsste nichts heißen: Auch Enter The Wu-Tang war eng verknüpft mit den Begleitumständen seiner Aufnahmen. Der pappige Sound und die Geradlinigkeit der Musik ließen sich vor allem auf das minderwertige Equipment und die Unerfahrenheit aller Beteiligten zurückführen. In Verbindung mit dem Triumphgeheul der Rapper, ihrem überdrehten Humor, der grandiosen Einweg-Philosophie und den anschaulich erzählten Gauner-Geschichten erwies sich der LoFi-Sound von Enter The Wu-Tang dennoch als wegweisend für den New Yorker Gangsta-Rap. Andere gaben anschließend viel Geld aus, um so billig zu klingen, wie der Wu-Tang Clan.

A Better Tomorrow ist nun eine andere Art von Album. Hier wurde sehr viel Geld ausgegeben, um möglichst teuer zu klingen. Erlesene Samples aus Klassikern und Raritäten des Siebziger-Jahre-Souls bestimmen das Klangbild, gelegentlich ergänzt um aufdringliche Profimusiker-Einlagen an Orgel, Bass und Bongos. Dazwischen schiebt RZA Kung-Fu-Film-Dialoge und -Schlägereien, Scratches und atmosphärisch durchgeladene Halbautomatikfeuerwaffen. Wenn ihm noch weniger einfällt als dieses Klischeeprogramm, lässt er den kompletten Refrain aus einer seiner Sample-Vorlagen durchlaufen.

Das kann funktionieren: Mit Ruckus In B Minor kommt A Better Tomorrow gut aus dem Startblock. Fünfeinhalb Minuten lang pocht die Produktion von RZA und Rick Rubin auf unbedingte Feierlichkeit. Es ist wie die Gangsta-Rap-Version einer Tortenschlacht. Meistens geht es aber schief: Preacher’s Daughter krempelt Dusty Springfields Son Of Preacher Man auf links und schüttelt dabei jeglichen Charme ab. Das Titelstück erweist sich trotz starker Konkurrenz als schmalzigster Weltverbesserungsversuch dieses Winters.

Weggefährten des Wu-Tang Clans werden sich deshalb fragen, welchen Zweck A Better Tomorrow als Album erfüllen soll. Für eine Reminiszenz an Enter The Wu-Tang klingt es zu satt und sentimental. Für eine neue Positionierung als Überväterkollektiv des Rap scheint die Gruppe zu zerstritten zu sein. Für aktuelle Kommentare zu den Folgen zweifelhafter Grand-Jury-Entscheidungen bleibt die Platte zu sehr mit sich selbst beschäftigt. A Better Tomorrow ist nur deshalb so verblüffend, weil es überhaupt existiert. Seine größte Stärke ist damit auch seine entscheidende Schwäche.

„A Better Tomorrow“ von Wu-Tang Clan ist erschienen bei Warner.