Neues von Beth Dittos Trio: A Joyful Noise ist wie erwartet tanzbar und basslastig. Leider scheinen Gossip die Ideen auszugehen.
Spätsommer 2009: Deutschland ist verrückt nach Heavy Cross, dem Dance-Punk-Hit des amerikanischen Trios Gossip. Knapp hundert Wochen hält er sich in den Charts und wird hierzulande zur erfolgreichsten englischsprachigen Single aller Zeiten.
Ziemlich heavy ist auch die Sängerin Beth Ditto, von der man wohl nirgends auf der Welt so fasziniert ist wie in Deutschland. Sie scheint einen Nerv zu treffen: Selbstbewusst und mit großer Ausstrahlung steht sie zu ihrem Körper, widerlegt mit ihrem glamourösen Stil so manches Klischee über lesbische Feministinnen. Und beweist, dass weibliche Attraktivität nichts mit gängigen Modelmaßen zu tun hat.
„Perfect World“ von Gossip Music
Das Album Music for Men schaffte es bis in die Top Ten, 2011 brachte Ditto eine vierteilige EP heraus. Nun sind die Erwartungen an das nächste reguläre Album hoch. Erwachsen und traurig klinge die neue Platte, sagt Ditto. Der Tod ihres Vaters im vergangenen Sommer habe seine Spuren hinterlassen.
Und tatsächlich, so richtig ausgelassen geht es nicht zu, der Gesang der 31-Jährigen klingt verletzlicher, reifer. Das zeigt sich bereits im grandiosen Eröffnungsstück. Der Refrain besteht neben uuuh uuuh uuuh nur aus den Worten animal und emotional, darüber wälzen sich bedrohliche Bässe und ein Black-Sabbath-Riff.
In Perfect World zieht das Tempo an, Nathan Howdeshell legt seine Keyboards und Gitarren über einen mächtigen Gänsehaut-Chorus. Überhaupt ist das Studioalbum Nummer fünf wieder in hohen Lautheitspegeln produziert, dazu ziemlich basslastig. Allerdings fragt man sich, weshalb mehr als die Hälfte der Tracks am Ende einfach ausgeblendet werden. Erste Anzeichen von Ideenlosigkeit?
„I’d love to stay and party but I gotta go to work„, singt Ditto in Get A Job, einem Song über reiche Mädchen, für die jeder Tag ein Feiertag ist. Die Musik: Synthie-Bässe à la Sweet Dreams (Are Made of This), Drumcomputer und verzerrte Funkgitarren.
Tanzbar und eingängig sind die neuen Stücke durchaus, aber nicht immer originell. Bisweilen glaubt man, einen Madonna-Song zu hören, nur eben mit Dittos Stimme. Move In The Right Direction ist so ein unmotivierter Lückenfüller, dessen Haupteigenschaft ein stampfender Dance-Pop-Beat ist.
In einem bewegenden Song über geplatzte Träume erklingen traurige Westernklampfen und Ditto beweist ein weiteres Mal ihre großen Gesangsqualitäten. Gitarrenlastig kommt auch das ungewöhnliche Into The Wild daher, dessen prägnanter Basslauf etwas von ABBAs 77er-Hit The Name of the Game hat. Gossip machen auf Europop, warum nicht?
Zweifellos erfüllt die Mehrheit der Songs die Erwartungen, die man an die Band stellt. Nur fragt man sich zuweilen: Woher kenne ich das bloß? Und manches wirkt irgendwie halbgar. Das gilt auch für Involved, dessen fabelhafte Strophe nach Alex Clare klingt, dann aber stark absackt.
Mit solch angeklebten Elektropop-Refrains kommt vielleicht Lady Gaga durch, aber von Gossip erhofft man sich mehr. Weit besser ist da die Funkrock-Nummer Horns, in der auch mal Bläser randürfen, wenn auch keine echten. Die fantastische Schlagzeugerin Hannah Blilie drischt auf die Kuhglocke ein, Hardrockgitarren surren im Hintergrund und die Keyboards quietschen wie bei Stevie Wonder.
Die letzten beiden Stücke sind eher mittelprächtig, das Schema ‚Synthie-Pop trifft auf verzerrte E-Gitarre‘ ist halt irgendwann ausgereizt. Trotz mancher Schwächen ist A Joyful Noise ein Album, das die zahlreichen Gossip-Fans nicht enttäuschen wird. Das Trio aus Portland, Oregon weiß, dass sein Publikum mit tanzbarem Indierock zu beglücken ist. Und den liefert es zur Genüge.
Wem diese geballte Ladung Beth Ditto nicht reicht, der sei getröstet: Dieses Jahr erscheint ihre Autobiografie auf Deutsch. Der Titel, natürlich: Heavy Cross.
„A Joyful Noise“ von Gossip ist erschienen bei Columbia/Sony Music.