Light Asylum aus New York bohren dicke Bretter: So viel Theatralik gab’s im Synthiepop lange nicht mehr. Kopfschütteln ist angesagt, aber vor Verblüffung.
Mit dem Pathos ist es so eine Sache. In der Kirche entstanden, in der Oper verfeinert, in der Disco verglitzert, im Metal vergröbert, sorgt er darüber hinaus zumindest unter distanzierten Gutachtern für mitleidiges Kopfschütteln. Too much, heißt es dann oft, bisschen dicke, bisschen schwülstig. Und steckt nicht doch eher betriebswirtschaftliches Kalkül als bauchgemachtes Gefühl hinterm Chartsgeplärre zeitgenössischer Diven oder dem dräuenden Bariton unheiliger Grafen? Wie gesagt – im richtigen Genre kann etwas wohldosierte Theatralik durchaus Kraft entfalten, Würde. Aber im Pop? Dem Synthiepop zumal?
Auch dort, absolut, und wie – sofern er uns sein Pathos so von der Bühne schickt, wie es Light Asylum tun. Konsequent artifiziell, also bar jeder instrumentalen Analogie, von Haptik und Natürlichkeit, bohrt das New Yorker Neo-Indiewave-Duo ein derart dickes Emotionsbrett, dass man anfangs aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr rauskommt.
Schon bald aber wiegen auch distanziertere Gutachter gar nicht mehr so kritisch den Kopf, sondern schütteln ihn eher angeregt, ergriffen von diesem merkwürdigen Sound aus dem Oldtimerfuhrpark digitaler Klangerzeugung.
Und das funktioniert so: Auf dem gleichnamigen Debütalbum von Light Asylum dekliniert deren Keyboarder Bruno Coviello die frühen, die stilbildenden Achtzigerjahre von Heaven 17 über Billy Idol und Grace Jones zurück zur Human League so unterkühlt durch, dass die pompöse Arienstimme von Shannon Funchess dazu wie ein Defibrillator wirkt, der wieder Blut in die leeren Herzkammern der Untermalung pumpt.
Falls aber der hagere Soundtüftler mit den netten Rehaugen mal ein paar warme Atari-Spielereien unter seine aseptische Künstlichkeit mischt, brät seine schwarze Sängerin mit der Riesenausstrahlung garantiert ein Reibeisen darüber, als stünde Roger Chapman höchstselbst am Mikrofon.
Das wird manchmal des Emphatischen, Feierlichen, Inbrünstigen, Ergriffenen zuviel, wenn sich Shallow Tears zum Beispiel auf einen stählernen Seitenpfad Richtung Gothic verirrt oder Sins in Flesh eher Regen als Tanzbeine zu beschwören scheint. Allein schon diese Titel – End of Days, Heart of Dust, Angel Tongue…
Zwischendrin schafft es das ungleiche Duett allerdings immer wieder, im Gleichschritt die stimmungsvolle Mitte aus beinah zuviel und gerade richtig auszutarieren. Keine Frage, die zehn Stücke bleiben dabei allesamt zutiefst nostalgisch. Diese Musik will den elektronischen Pop seiner Blütezeit auf eine Gegenwart übertragen, deren digitale Erscheinungsform sich so nachhaltig in Techno, Dance, R’n’B, Electroclash ausdifferenziert hat, dass puristische Rückbesinnungen wie diese manieriert wirken. Rückwärtsgewandt. Gerade wenn man sich mit Jahrzehnte alten Drumcomputern für 50 Dollar im Repertoire brüstet.
Doch Light Asylum schaffen es dabei, die Sehnsucht nach den Wurzeln ihres Sounds nicht als Selbstzweck, sondern als Herzensangelegenheit wirken zu lassen. Das erklärt auch alles Pathos. Manchmal too much, oft genau richtig.
„Light Asylum“ von Light Asylum ist erschienen bei Mexican Summer.