Gar nicht so einfach, ein Interview zu führen, während 90.000 Leute beim Sónar feiern. Irgendwie hat es dann doch geklappt, Norman Cook in seiner Garderobe zu besuchen.
Noch nie hatte ich ein Interview um 2 Uhr morgens. Wenn sich aber der Tagesrhythmus so verschiebt wie beim Sónar, ist das ganz normal. Norman Cook alias Fatboy Slim tritt am Samstagmorgen um 4 Uhr auf die Bühne, da ist eben nur kurz vorher ein bisschen Zeit für die Presse.
Dennoch sind Backstage-Interviews beim Sónar By Night normalerweise nicht gestattet. Zu groß das Messegelände, zu chaotisch die Arbeit unter Feiernden, zu schwierig die Absprachen bei der permanenten Lautstärke startender Helikopter. Vier große Bühnen, eine Vergnügungshalle – nein, es geht nur um Autoscooter!-, ein Pro- und Pressebereich mit eigener VIP-Area, alle permanent beschallt und belasert.
Irgendwie bekomme ich doch einen Termin. Die Freude darüber ist das eine. Die Sorge, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das andere. „Meet us at 2 AM at the backstage gate“, schreibt die Pressefrau vom Sónar. Termin von 2.10 bis 2.20 Uhr. Klingt machbar.
Während also Friendly Fires ihre Indiepopdisco abfackeln, stehe ich vorne links neben der Bühne am Gatter und halte Ausschau nach meiner Kontaktperson. Ein netter französisch-amerikanischer Fotograf, mit dem ich schon zusammen auf TEED gewartet habe, hat dieselben Sorgen: Sind wir richtig hier? Immerhin zu zweit.
Wir warten. Es ist 2.08 Uhr. Niemand kommt. Ich frage den Sicherheitsmann am Zaun, ob er von unserem Termin weiß oder ob er die Pressefrau anrufen kann. Er sagt, sie sagt, sie treffe mich in der VIP Pro Area. Achja? Na dann los. Au revoir, François! Schnell durch die Tausenden zurück in den Pressebereich. 2.11 Uhr, Tor zu einem anderem Backstage-Bereich. Niemand da außer mir. Ich warte, ich schreibe eine SMS an die Agentin.
2.14 Uhr keine Antwort, mein Interviewtermin hat vor vier Minuten ohne mich begonnen. Das wird wohl nichts mehr. Tapse enttäuscht durch die Pro Area und sehe plötzlich die Pressefrau in ihr Handy starren. „Wo muss ich hin?“ – „Vale, immere geradeaus, gaaaaanz ans andere Ende des Messegeländes, dann links, da ist eine Absperrung, da wartet Vincente auf dich.“
Laufe los, drücke mich durch die Tanzenden. 2.20 Uhr, ah, dieses Gatter könnte sie gemeint haben. Frage die Ordnerin, ob das hier VIP Pro sei? Nein, das sei ganz am anderen Ende! Ich fasse es nicht. Aufgeben? Insistieren! „Wo sind die Künstlergarderoben?“ – „Ähm, du meinst VIP Backstage? Hier, hinter der Absperrung.“ – „Ich sollte vor zehn Minuten ein Interview mit Fatboy Slim führen.“ – „Ah, bist du Rabea? Follow me!“
Fünf Minuten später sitze ich Norman Cook im grellem Neonlicht seiner Garderobe gegenüber. Außer mir interessiert sich hier offenbar niemand für den angeblich so engen Zeitplan. Lässig, charmant, offen und humorvoll macht er alle Aufregung vergessen. Wir sprechen über Sampling, Urheberrechte, digitale Musikdistribution, Piraterie. Wach genug dafür sind wir beide. Kurz vor 3.00 Uhr ist das Interview im Kasten. Aus zehn Minuten wurden fünfzehn.
Den Franzosen habe ich nicht mehr gesehen.
PS: Unser Flickr-Album füllt sich mit atmosphärischen Eindrücken vom Sónar 2012.