Musik für Mars-Fans: „Olympus Mons“ heißt der höchste Berg des Sonnensystems und das neue Album der Indieband Instrument. Die ist eine viel größere Entdeckung!
Es ist ja dieser Tage viel vom Mars die Rede. Entfesselte Astronomen bejubeln Bilder vom roten Planeten, als seien es die ersten. Seriöse Nachrichtensendungen küren sie zur Spitzenmeldung, als wäre die Landung der Curiosity nicht mindestens der achte Bodenkontakt in vier Jahrzehnten Marseroberung. Da wird also ziemlich laut applaudiert für eine eher gebrauchte Show, fraglos irrlichternd schön und von hoher Relevanz fürs Fach, aber doch: alles schon mal da gewesen, rings um Olympus Mons, dem höchsten Berg des Sonnensystems.
Das erinnert nur zum Teil ans zweite Album der Münchner Indieband Instrument. Auch das heißt Olympus Mons und bietet eine nahezu brillante Neuinterpretation alternativer Gitarrenmusik, die man aus Deutschland selten hört: Klangteppiche, die nicht ins psychedelische Kraut schießen; modernisierter Progressive Rock, der weder nach Deep Purple noch Grobschnitt klingt, spärlich vokalisiert, kreativ choreografiert, Orchesterrock für sechs, live acht Hände.
Nichts Brandneues also, keine Genre-Erweiterung, kein neuer Stil, bestenfalls die achte Marslandung also – aber doch ein toller Sound mit Kraft, Gefühl, Zurückhaltung, Pathos, Virtuosität, Understatement, Mainstreambewusstsein, Nischendenken, alles an den richtigen Stellen. Das sollte trotz aller Erneuerungstradition im Popzirkus doch wenigstens unter Experten gesteigerte Aufmerksamkeit hervorrufen, wenn nicht gar im Publikum insgesamt. Allein – es passiert wohl wieder mal wenig.
Ein Jammer. Denn auf dem Nachfolgealbum ihres selbstbetitelten Debüts gehen Instrument vor allem sich selbst auf die Spur und werden doch im großen Ganzen fündig. War ihr Coming-Out vor zwei Jahren noch im Emocore zuhaus und erinnerte dabei bemerkenswert eigenständig an Alternative-Vorläufer wie das schottische Quartett Aerogramme, so nähert sich Olympus Mons ähnlich beachtlich Geoff Farinas Jazzrock-Göttern Karate an, die harten Indierock Anfang der Neunziger auf ein fast zappaeskes Niveau gehoben hatten. Nun dürften sie vom Jazzrockolymp auf Instrument herabblicken und sich bedanken, dass ihre Virtuosität im mengentauglichen Rock noch Epigonen findet.
Sie werden wohlwollend nicken, wenn der Titeltrack zu Beginn sieben, acht Ebenen bis hin zum saxofonartig verzerrten Gitarrensolo durchwuselt. Wenn die erste Single Picks & Chips gleich darauf ohne Gesang konsistentere Liedstrukturen annimmt und Doing Nothing Is Art stimmbegleitet zu einer Symphonik gerät, die das unablässig gegensteuernde Schlagzeug abwechslungsreich, nie überkomplex erscheinen lässt. Oder wenn sich Olympus Mons am Schluss erst eine hymnisch schöne Saitenfläche gönnt (Sunday Best) und letztlich ein Streicherfinale. Der Titel lautet The End. Und er bezieht sich gewiss nur auf dieses Album.
Denn bei ihrem Potenzial, bei ihrer leidenschaftlichen Erkundung aller Nebenstraßen des Indierock, dürfte diese Band bald wieder ins Studio gehen, um sich im eigenen Klangkosmos nochmals neu zu verorten. Es könnte also noch höher hinausgehen als auf den höchsten Berg des Sonnensystems.
„Olympus Mons“ von Instrument ist erschienen bei Instrument Village.