LaBrassBanda lässt’s wieder krachledern. Ihr Blechblaspop hat sie um die ganze Welt geführt. Auf dem neuen Album zeigen sich die Bayern jetzt reifer und vielseitiger.
Reife hat in adolszenzkritischen Zeiten wie diesen – anders als in adoleszenfixierten früherer Tage – einen despektierlichen Klang. Reife, das klingt nach zu früh erwachsen oder zu kurz jung, nach Banklehre und Ernst des Lebens, nach Spandau statt Mitte, nicht sonderlich sexy jedenfalls. Wer Reifungsprozesse durchmacht, sollte das Ergebnis also modernisiert darreichen, um unter Trendgestaltern akzeptabel zu sein. Oder auf das ganze Hipstergetue scheißen. LaBrassBanda tut beides. Und wirkt dabei ebenso lässig wie, genau: gereift. Was für ein Kunststück.
Denn schon auf den zwei ersten Alben toben die fünf krachledernen Bayern zwar barfuß durchs klangliche Unterholz ihrer Heimat, machen daraus aber blechblasbegleitet off-beatgebrochene Popskapolka, deren Aberwitz aller enthaltenen Volksmusik weit mehr verpasst als ein schnödes „Neo“ davor. Habedieehre und Übersee boten christsozialen Punkrock: bodenständig, aber erfrischend. Auf dem Drittling Europa dagegen wird das Gestern im Heute strukturierter, die 13 neuen Stücke wirken weniger zappelig, ohne an Dynamik zu verlieren. Gesetzter, mögen die einen urteilen, virtuoser die anderen. Und dann sagt Andreas Hofmeir das alte Wortgespann der formierten Mehrheitsgesellschaft von einst: „Wir interpretieren Volksmusik traditionell und generationsübergreifend zu etwas Neuem.“ Ins Berghain kommt man so nicht.
Dabei stammen LaBrassBanda im Grunde genau von dort. „Unsere Anfänge“, erzählt Hofmeir, neben seiner Tätigkeit als Tuba-Berserker ein Kabarettist mit Musikprofessur am Salzburger Mozarteum, „liegen ja im Club“. Bevor sich die fünf Freunde um den singenden Trompeter Stefan Dettl zum Kollektiv vereinigten, firmierten sie nämlich gern als lebende Sidekicks synthetischer DJ-Sets. Die Chiemgauer Naturburschen sind so gesehen Gewächse der Disco – nun kehren sie quasi dorthin zurück.
Denn wer die Band nicht kennt, Europa also unvoreingenommen hört, wähnt sich unversehens in seltsam künstlichen Soundwelten, so flächig treiben Bass, Tuba, Posaune und Drums in Tecno über Dettls subkutanes Idiom aus selbstbewusst unverständlichem Bairisch. Und würde Vogerl gleich darauf nicht kurz mal bierzeltduselig auf die Oktoberfestvergangenheit der Band verweisen – Z’spat dro mit seinen (wirklich!) 150 bpm im Anschluss, das ambientartige Russland, die Datscha-Disco Holland, sodann der Deephouse-Verschnitt Schweden und natürlich Around the world, ein live-erprobtes Daft-Punk-Cover zum Schluss, all dies fände leicht nachverzerrt auch im Berliner Szeneclub Gehör.
Kein Wunder, könnte man meinen. Schließlich kommt das Quintett ohne genuine Akkordinstrumente aus, wie Hofmeier betont. E-Bass plus Tuba statt Gitarre – „eigentlich geht das gar nicht“. Dass es doch geht, zeigen indes nicht nur ausverkaufte Hallen bis nach Japan, sondern auch der Wechsel vom kleinen Trikont-Label zu Sony. Mehr aber noch dieses Album. Ihm fehlt zwar das Hitmodul des Vorgängers, der Schunkeleffekt, die Mithüpfverpflichtung. Dafür ist es in sich schlüssiger, vielgestaltiger und doch stringenter. Nennen wir es reif.
„Europa“ von LaBrassBanda ist erschienen bei Sony.