Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Lieder vom Ende Berlins

 

Paula ist zurück. Das Duo spielte den Soundtrack zu den nuller Jahren, jetzt singt es vom Gefühl in der deutschen Hauptstadt: das Leben in Ruinen der Coolness.

© JSM
© JSM

Falls Sie es noch nicht gehört haben sollten: Das mit Berlin ist vorbei. Die Touristen nerven nur noch und die Schlangen vor dem Berghain sind im Durchschnitt zweieinhalb Meter kürzer als früher, die Mieten steigen ins Unverschämte und Stephen Malkmus ist wieder zurück nach Portland gezogen. Es kann nicht mehr lange dauern, so wird in der Hauptstadt besorgt gemunkelt, dann hauen selbst die Hipster ab. Die wären schon längst weg, wenn sie wüssten wohin.

Wer wissen will, wie diese Stimmung klingt, der muss sich nur das neue Album von Paula anhören. Auf dem Cover sieht man Elke Brauweiler und Berend Intelmann, wie sie im bunten Herbstlaub liegen. Das beweist einerseits, dass das Berliner Duo auf der selbst betitelten Platte wieder vollzählig ist, nachdem Intelmann Mitte der nuller Jahre ausgeschieden war. Und illustriert andererseits, dass Paula, obschon das erste Lebenszeichen nach der Wiederzusammenführung des Duos, vom Abschiednehmen erzählt.

Das beginnt schon im allerersten Song, der nicht umsonst Was für ein Ende heißt. „Komm, wir räumen das Gelände“, singt Brauweiler, und: „Das hab ich mir anders vorgestellt, dass alles so in sich zusammenfällt.“ Eigentlich handelt das Lied von einem Paar, das beschließt, nicht nur ihr Auto, sondern auch gleich ihre Beziehung im Stau auf der Autobahn zurückzulassen. Aber diese Zeilen und einige andere – wie „Alles was passiert ist, ist vergessen“ – kann man natürlich auch auf den aktuellen Gemütszustand der deutschen Hauptstadt anwenden.

Es kostet nicht viel Mühe, das ganze Album als Abgesang auf Berlins große Zeit zu interpretieren. Eine Zeit, zu der Paula in den nuller Jahren den Soundtrack gespielt haben. Ihr erstes Album erschien pünktlich im Jahr 2000 und ihre Songs erzählten von den Problemen der Großstädter, blieben aber immer tanzbar.

In gewisser Weise waren sie die dunkle Seite der Medaille, die 2raumwohnung Berlin um den Hals gehängt hatten: Von der Personenkonstellation und der musikalischen Grundidee vergleichbar, sangen 2raumwohnung immer euphorisch vom Frischverliebtsein, Paula dagegen melancholisch davon, wie es sich anfühlt, wenn die Wirkung der Glückshormone wieder nachlässt. Auch zu dieser Konkurrenz gibt es ein Lied: „Lass uns gut auseinander geh’n“, singt Brauweiler, „besser geht’s nicht“. So hieß 2007 eine Single von 2raumwohnung: Besser geht’s nicht. Nur Zufall, sagen Paula.

Wir sagen: Zufälle gibt es nicht. Und wir meinen: Paula sind die Berliner Band der Stunde. Intelmann und Brauweiler haben sich einst auf einem Konzert der Pet Shop Boys kennengelernt, bis heute klauen sie von ihnen die satt pluckernden Synthesizer.

Die klingen auf Paula so zeitgemäß wie lange nicht, während die zwar mondän, aber immer etwas unbeteiligt wirkende Stimme von Brauweiler die seltsame Apathie auf den Punkt bringt, die Berlin zu befallen droht. Klar ist das scheiße, wenn das coole Image den Bach runter geht, scheint ihre Stimme zu sagen, aber was soll man machen? „Warum bin ich hier und nicht in Bangkok?“, fragt sie sich singend und weiß doch auch die Antwort: „Ich könnte überall hin. Stattdessen liege ich hier und denke: Wahrscheinlich liebe ich Berlin.“ Tun wir das nicht alle?

„Paula“ von Paula ist erschienen bei JSM/Rough Trade.