Da kann keiner auf dem Sitz bleiben: Der Entertainer Todd Terje schüttelt auf „It’s Album Time“ den musikalischen Aberwitz aus dem Füllhorn des Pop.
Samuel Beckett hatte schon recht mit seiner Selbsteinschätzung, die mehr noch eine Fremdeinschätzung war. „Wir alle werden verrückt geboren“, schrieb der Schriftsteller vor vielen, vielen Jahren in Warten auf Godot. Manche indes, fügte er hinzu und meinte das sicher nicht despektierlich, „die bleiben es“. Todd Terje zum Beispiel. Ein Name wie ein kanadischer Holzfällerhund, ein Musiker wie ein Berserker mit Zartgefühl, ein Debütalbum, heißkalt wie ein himmlisches Fegefeuer. Beckett hat fraglos den norwegischen Alleinunterhalter vorweggenommen, als er die Randgruppe derer beschrieb, die sich den Aberwitz kindlicher Leidenschaft erhalten haben.
Terje, der nicht Todd, aber mit Nachnamen Olsen heißt, knallt dem Pop unterm wunderbar proklamatorischen Titel It’s Album Time ein Erstlingswerk vor den Latz wie eine Schale zuckersüßen Babybreis. Dafür ein Genre zu benennen ist nahezu unmöglich; irgendwas mit Elektro, Trash und Swing dürfte es wohl sein, was der geniale Bigbandbartechnopianist da zwölf Stücke lang aus dem Nichts zaubert.
Aber um Begriffe, Genres, Zuweisungen geht es ja auch gar nicht auf diesem Urknall zeitgenössischer Tanzmusik ohne R-’n‘-B-Geseife. Es geht um eine Genese, die Genese des Aberwitzes aus dem Füllhorn des Pop. Es geht um ein Album, dass seinem Nest entschlüpft wie ein Vogel dem Ei und sodann in die Höhe steigt wie Phoenix und … pardon – zu dick aufgetragen? Zu viel Pathos? Zu metaphorisch?
Dann bitte einfach mal reinhören und versuchen, dabei entspannt auf dem Sitz bleiben. Viel Erfolg! Denn nach einem housigen Intro mit dem Plattentitel als gehauchte Verheißung baut Todd Terje sein Debüt auf wie eine Sandburg am Strand, die sich mit jeder Zinne ein bisschen mehr an ihrer selbst berauscht und wächst und wächst und wächst. Leisure Suit Preben etwa klingt zu Beginn noch entfernt nach einem leicht überschminkten Cover der Titelmelodien von Timm Thaler bis Captain Future, denen im anschließenden Preben Goes To Acapulco eine Prise Daft Punk und Skrillex beigemischt wird. Doch spätestens mit dem heillos überdrehten Svensk Sås nimmt das Album namens Album dann so tollkühn Fahrt auf, dass handelsüblicher Trashpop zur harmlosen Verschrobenheit verdampft.
Wie brasilianischer Samba auf 45rpm gesteigert, hetzt der Entertainer durch diesen Reigen der Klangfülle und behält das gefühlte Tempo auch die nächsten Lieder bei. Das klingt dann mal nach restauriertem Achtziger-Jahre-Bombast, mal nach beschleunigtem Sixtiesbeat, unterbrochen nur durch ein abstruses Robert-Palmer-Cover featuring Bryan Ferry. Schon das wirkt überwiegend wie ein Satz Glückspillen in Soundform – und da sind wir noch nicht mal bei Alfonso Muskedunder gelandet, dem Schlüsseltrack, der den Eindruck erweckt, hier würden sechs, sieben Scheiben zeitgleich abgespielt.
Aber Chaos? Mitnichten! Um nochmals Weltliteratur zu zitieren: „Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode“, sagt ein gewisser Polonius bei Shakespeare über eine Titelfigur, die dem Wahnsinn ja nun wirklich besondere Seiten abtrotzt. Ganz genau wie Todd Hamlet Terje Olsen.
„It’s Album Time“ ist erschienen bei Olsen Records.