Seit ihrem letzten Album sind 23 Jahre vergangen. Nun hat die Rockband Pixies „Indie Cindy“ aufgenommen: etwas Lärm, etwas Rock, etwas saturiert.
Als sich kürzlich der Todestag von Kurt Cobain zum 20. Mal jährte, konnte man allüberall Würdigungen lesen. Manche schlau, manche nicht so schlau, aber in keiner wurde vergessen, Cobain seinen überragenden Platz im Popkosmos zuzuweisen. In einigen wenigen stand sogar, dass er und seine Band Nirvana nicht aus dem luftleeren Raum gekommen waren. Dann wurden auch die Pixies erwähnt.
Es war vor allem die Ästhetik der dramatischen Laut-Leise-Diskrepanz, die Nirvana, so hat es Cobain selbst des Öfteren erwähnt, von den Pixies abgekupfert hatten. Damit ist ihnen schon mal ihr Platz sicher in der Rockhistorie. Die Frage, die man sich stellen kann, ist diese: Stünde der 1986 in Boston gegründeten Band dieser Platz auch zu ohne ihren Einfluss auf Nirvana?
Jene Generation, die in den mittleren bis späten Achtzigerjahren ihre prägenden Jugendzeiten zubrachte, wird diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten. Und ganz aufgeregt sein, dass die Helden von einst nun Indie Cindy herausbringen. Es ist ihr erstes Studioalbum nach langer Trennung, einigen Reunion-Tourneen, vielen Gerüchten, diversen Ankündigungen, noch mehr Verschiebungen – und einer Pause von bloß 23 Jahren seit dem bislang letzten Trompe le Monde.
Wenn man den Schock verdaut hat, das man nun endgültig denselben Zustand erreicht hat wie Menschen, die auf ein neues Black-Sabbath- oder Rolling-Stones-Album warten, muss man feststellen: Der Schock ist nicht so groß, denn die Songs von Indie Cindy sind allesamt schon in den vergangenen Monaten auf EPs erschienen. Nun kann man gesammelt hören, dass die lange Pause an den Pixies nicht spurlos vorbeigegangen ist. Aber, das tröstet dann wieder, sie hat lange nicht so viel Unheil angerichtet, wie man hatte erwarten dürfen, nachdem man gesehen hatte, wie lustlos die Band 2004 ihre ersten Comeback-Konzerte absolvierte.
Damals hatten der Sänger, Gitarrist und Band-Diktator Charles Thompson IV alias Black Francis alias Frank Black und seine Kollegen zugegeben, dass sie nur aufgrund akuten Geldmangels noch einmal auf die Bühnen geklettert waren. Dass sie ausgerechnet dort oben eine neue Lust aufeinander entwickelt haben sollen, ist zwar kaum zu glauben, wird aber behauptet. Kim Deal, Bassistin und traditionell Blacks Antipodin, schien ähnlich zu denken, als sie die wiedervereinigte Band 2012 wieder verließ – immerhin sieben Tage, nachdem sie in ein Waliser Studio gegangen war, um einzuspielen, was nun als Indie Cindy erscheint.
Ohne seinen Widerpart, ansonsten mit den anderen beiden Originalmitgliedern, also Gitarrist Joey Santiago und Schlagzeuger David Lovering, hat Black, wenn man ehrlich ist, im großen und ganzen ein weiteres Solo-Album eingespielt. Denn die Hysterie, mit der die Pixies den ganzen Ernst und zugleich die Absurdität der Eighties-Endzeitstimmung auf den Punkt brachten wie keine andere Band, fehlt weitgehend. Was womöglich dadurch zu erklären ist, dass die Achtzigerjahre nun schon eine Weile vorbei sind.
Stattdessen bieten die Pixies nun gut abgehangene Rockmusik, die eine oder andere Lärmattacke, ein wenig Country und vor allem das beruhigende Gefühl, dass Black Francis der gute Songschreiber ist, als den man ihn in Erinnerung hatte. Als solcher verfasst er Zeilen, die immer noch aus dem Poesiealbum des nerdigen Außenseiters zu stammen scheinen: „And if I ever seem a little strange – will you excuse me please“, singt er dann. Oder: „I say I’m human but you know I lie“, und dann ist es doch wieder ein bisschen wie damals, als er einem wie niemand sonst das Gefühl geben konnte, nicht allein zu sein mit der eigenen Seltsamkeit.
Mittlerweile aber ist diese Generation nicht mehr seltsam. Viele Menschen, die sich sicher waren, die Neunziger niemals zu erleben, sind nun etabliert im Zentrum dieser Gesellschaft, der sie einst so skeptisch gegenüber standen. Man ist angekommen. Indie Cindy ist deshalb vor allem eine schöne Erinnerung an eine Zeit, in der man noch draußen stand und nicht mal neidisch nach drinnen schaute.
„Indie Cindy“ von Pixies erscheint am 25. April bei Pixiesmusic/ PIAS/ Rough Trade