Großstädtischer Deutschpop mit Retrospektive: Nach zehn Jahren Bastelei veröffentlichen der Schauspieler Tim Sander und sein Freund Michael Hank ihr Debütalbum als Team Amateur.
Zeit ist unbestechlich. Wie lange sie währt, mag im persönlichen Empfinden durchaus variieren. Wirklich gedehnt wird sie jedoch allenfalls dank richtig starker Kräfte, Gravitation zum Beispiel. Sagt Einstein. Ansonsten läuft Zeit eben so schnell, wie sie läuft.
Zehn Jahre mögen für die Erstellung, sagen wir: einer Kathedrale daher recht kurz sein; für die einer Schallplatte ist es eine sagenhafte Spanne. Ob sie dem Debütalbum vom Team Amateur gut getan hat, ist zwar Ansichtssache. Dass sich das Berliner Duo beim Erstellen ein halbes Hipsterleben lang offenbar nie aus der Ruhe bringen ließ, hört man ihm jedoch in jeder Sekunde an.
Feuer & Freizeit, so heißt es kryptisch, ist ein Kompendium nostalgisch beeinflusster Klangvielfalt, das es in dieser sedierten Dynamik selten gegeben hat. 16 meist punkrockkurze, manchmal melodramenbreite, deutschsprachige Stücke lang definieren Tim Sander (ja, der aus GZSZ) und Michael Hank mit Bass, Gitarre, Drums und Synthesizer diverse Tempi der Langsamkeit neu.
Zu verschrobener Alltagspoesie scheint der Sound das Publikum zu betäuben, so träge sind die Songs arrangiert. Diese Entschleunigung liegt allerdings nicht am Mangel an beats per minute, geschweige denn an Effekten pro Sekunde; beides plätschert kaskadengleich ins Songwriting. Nein, das liegt an einer erratischen Heimatlosigkeit – wie eiszeitliches Gestein, das durchs gewaltige Wirken der Natur in ferne Gefilde gedrückt wurde und dort nun seltsam verloren herumliegt, so schwer wie einsam.
Die zwei jungen Bastler dahinter mögen ja in die digitale Gegenwart passen; vollbärtig, großstädtisch und stilbewusst passieren sie sicherlich problemlos jeden noch so strengen Türsteher angesagter Hauptstadtclubs. Ihre Musik dagegen wirkt sonderbar aus der Zeit gefallen. Die Flowerpornoes schauen gelegentlich aus den Ritzen, etwas frühe Distelmeyer-Lyrik, dazu Element of Crime und ein gewisser Jazzgestus aus verrauchten Existenzialistenkellern, die längst geschlossen haben. All dies macht Feuer & Freizeit zu erwachsener, man könnte auch sagen: gesetzter Musik mit jugendlichem Sendungsbewusstsein, Mut zum Moll und dem unbedingten Bekenntnis zur Analogie, die dabei gern elektronisch klingt.
Weil diese gediegene Mischung indes nicht traditionell verabreicht wird, sondern retrospektiv, schwingt stets der urbane Chic Neuköllner Trendsetter mit. Sanders und Hank entnehmen der Welt von gestern allerlei Absurditäten, die erst neu kombiniert modern wirken, ohne nach Konformität zu schielen. Team Amateur machen – in zwei Worten – schon Pop. Nur dass man sich dafür hinsetzen muss. Und zuhören. Vom Stuhl wird dabei zwar niemand geworfen; dazu klingt Feuer & Freizeit zu bekannt, zu unspektakulär und wattiert. Das Zeitempfinden bringt dieses Debütalbum dennoch kurz durcheinander. Und das fühlt sich ziemlich gut an, für eine ungekrümmte Weile.
„Feuer & Freizeit“ von Team Amateur ist erschienen bei Rummelplatzmusik.