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Herr Lehmann spielt mit

 

Der Musiker und Buchautor Sven Regener braucht nicht mehr als vier Songs, um eine akustische Milieustudie zu zeichnen. Mit seiner Band Element Of Crime hat er nun ein neues Album veröffentlicht.

Unser Audioplayer wird derzeit überarbeitet
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Seit Sven Regener häufiger mit Frank Lehmann verwechselt wird, hat die Band Element Of Crime ein fünftes Bandmitglied. Die Kunstfigur aus der Kreuzberger Trilogie, die dem Musiker Regener zu belletristischem Erfolg und reichlich Feuilleton-Prominenz verhalf, schenkt auch seinem musikalischen Output so etwas wie Gesicht und Gemüt – die matte Projektionsfläche für ein wachsendes, nicht zwingend popsozialisiertes Publikum jenseits der vierzig.

Wo Regener seine Liedfiguren im neuen Element-Of-Crime-Album Immer da wo du bist bin ich nie auch hinschickt, in den Bierdunst der Gartencafés, die Melancholie der Lieblingsfrühstückslokale oder den stinknormalen Blues dieser Tage, immer scheint Lehmann schon dort zu sitzen; er trinkt, raucht, halluziniert und zeigt, dass das Leben in der Boheme auch nicht besser ist als anderswo.

Dass die Zeiten, in denen Regener schrieb und deshalb für Element Of Crime ausfiel, der Band keinen bleibenden Schaden zufügen konnten, verdankt sich ihrem sensationslosen Folk- und Rockrepertoire. Schon lange suchte es keinen Anschluss mehr an Trends und letzte Wahrheiten im Pop.

Es ist eher so, dass Element Of Crime mit großer Ruhe an Variationen jener Songdenkmäler meißeln, die sie in ellenlangen Konzertreihen erprobten – „Mach das Licht aus, wenn du gehst, Damals hinterm Mond, Immer unter Strom, Delmenhorst zuletzt“. Sven Regener weiß, dass er nicht mehr als vier Songs braucht, um akustische Milieustudien zu betreiben.

© Universal Music
© Universal Music

Regener, auch schon 48, hat sich in seiner Republik der Bierseligen und alten Männer, der Zwiespältigen und Hintersinnigen eingerichtet. Aus den Texten tropfen Lebensweisheiten („Wer die Monatskarte hat, sollte besser nicht am Monatsanfang sterben“). Die Vermessung der Melancholie, die der Sänger auf jeder Platte mit Emphase betreibt, kennt kein Jaulen und Jammern. Denn die Krisen da draußen interessieren weder Lehmann noch Regener, Konjunkturschwankungen sind beiden nicht mehr als ein Zwicken im Hintern. Über die Strecke eines Albums oder für die Dauer eines Konzerts unternimmt der Sänger mit dem Publikum eine Reise in die Wirren der Gedanken. Und über allem schwebt „der Rauch aus den Kippen des Lebens“.

Wiederholung ist auch nur ein Augenzwinkern in Richtung Publikum. „Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist“, hieß schon die erste Zeile auf dem Vorgängeralbum Mittelpunkt der Welt aus dem Jahr 2005. Werkverbindend hat Regener dem Nicht-Ort eine neue, auffallend gut klingende Fortsetzung im 2009er Titelsong Immer da wo du bist bin ich nie verliehen: „Immer wenn ich Rauch einsog und mich die gute Laune trog / Und ich im ersten Stock vom Küchenfenster in die Bäume flog… dachte ich, ich wär am Ziel“. Regener kratzt die letzten Leitsätze ins Poesiealbum seiner Generation: „Der liebe Gott liebt dich / Und wenn nicht, dann bin ich noch da“.

Dass inmitten lakonischer Chansons und derber Bluesrockstücke ein Mitsingding von aufrichtiger Schlichtheit wie Der weiße Hai auftaucht, ist mehr Witz als Fauxpas. Kaffee und Karin erklingt dagegen im gut abgehangenen Secondhand-Calexico-Sound mit Bläsern, Orgel und Akkordeon. Das wollen die Fans ja immer wieder hören. Oder den Genussmenschen Sven Regener, der mal sein Bilderwerk besudelt: „Was für Cloppenburg Pfanni ist, bist du für mich / Und dann scheiß auf Metaphern, die sind böse und heiß / Und im Gesicht haben sie Pickel, die sind nicht schön“.

„Immer da wo du bist bin ich nie“ von Element Of Crime ist bei Universal Music erschienen.


Dieser Text wurde in der ZEIT Nr.39/2009 veröffentlicht.