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Was der Apparat noch so kann

 

Dicker Funk erinnert an Prince, die Melodien beschwören Radiohead und Coldplay. Auf seinem dritten Album klingt der Berliner Elektronikmusiker Apparat nicht mehr so kühl und traurig wie früher.

Seit zehn Jahren nimmt der Berliner Sascha Ring unter dem Namen Apparat melancholische Laptop-Musik auf. Zwei Alben hat er beim Label Shitkatapult veröffentlicht, jetzt erscheint sein drittes, Walls.

Eine Überraschung. Wo ist die Distanz, die für viele elektronische Produktionen so charakteristisch ist? Und wo das Gefühl, jeder Ton, jeder Klang sei durchdacht? Das alles vermisst man nicht, man bemerkt das Fehlen nur, wenn man ein weiteres Album im Stile des Vorgängers Duplex aus dem Jahr 2004 erwartet hat.

Nur kurz scheint es, als ob Walls die Erwartungen erfüllte. Das Eröffnungsstück Not A Number ist ruhig und flächig, zart werden ein paar Töne aus dem Vibrafon geklöppelt. Vier Minuten später bricht ein schnarrender Basslauf durch, der könnte von den White Stripes kommen. Hailin From The Edge verkündet: „Nieder mit den Erwartungen, her mit dem schönen Leben!“

Apparat weitet sein elektronisches Geschäft mal hierhin aus, mal dorthin. Oft assoziiert man andere Lieder, andere Künstler. Hailin From The Edge und Over And Over protzen mit dickem Funk, die Stimme des Gastsängers Raz Ohara klingt ein wenig nach Prince. Holdon neigt zum HipHop, der in sanftem Falsett vorgetragene Refrain stünde sogar Robbie Williams: „Hold on / to all / you got“.

Headup ist euphorisch melodiös, eine singende Gitarre und dieses typische bam-bam-bam-peng-bam-peng-Schlagzeug gemahnen an Coldplay. Bei Arcadia grüßen Radiohead, Sascha Ring singt hier selbst, mit hoher Stimme. Die Melodien steigen aus dem Keller empor, Klänge öffnen sich. Radiohead hätten wohl auf den steten Tanzbass verzichtet – hier gehört er hin.

Das elektronische Schlagzeug hält die Platte zusammen. Die Bässe sind tief und dumpf, in den Höhen klackt es immer nur. Es wird wenig gefrickelt, Walls erschließt sich schnell. Immer wieder sorgen breite Streicher für Dramaturgie, die gesungenen Melodien sind getragen.

Es ist nicht alles so gut. In Limelight schnarrt eine fiese Keyboardgitarre, auf die Drei klatscht es jeweils anorganisch. Mancher Schlag bei Fractales klingt, als hätte Sascha Ring das elektronische Schlagzeug der Flippers geklaut, hallend, billig, fremd. Und das Keyboard-Muster klingt gar nach Join Me von Him. Das ist dann ein bisschen zu viel.

Walls klingt schlüssig, wenn man es als Dokumentation einer Richtungssuche versteht. Vielleicht hatte Sascha Ring die sanfte, verfummelte Elektronika einfach über und wollte einmal sehen, was der Apparat noch so kann. Er wirkt nicht desorientiert, mutig probiert er dies und das aus. Die von Maria Hinze gestaltete Hülle erinnert an Kritzeleien beim Telefonieren, sie spiegelt die Vielgestaltigkeit der Musik wider.

„Walls“ von Apparat ist erschienen bei Shitkatapult