Selten war künstlerischer Selbstmord so produktiv wie bei Adam Green: Auf seinem Album „Minor Love“ singt er wunderbar von seiner Suche nach einer Haltung.
Es ist ein Grundkonflikt abseitiger Musik, dass ihr die Gegenwart unheimlich und unentrinnbar zugleich erscheint. Produktionsmechanismen, Vertriebswege, ästhetische, klangliche, handwerkliche Konstanten – alles wird von ihr genutzt und gleichzeitig infrage gestellt. Ohne die Bühne geht es ebenso wenig wie mit ihr, jenseits der Tonträger bleibt die Verbreitung halbherzig, und das Internet ist ja auch längst bequemes Allgemeingut. Da muss einer wie Adam Green verzweifeln.
„Ich habe eine unglückliche Einstellung zu allem“, sagt der Singer-Songwriter folgerichtig. Er wolle unterhalten, komme sich dabei aber oft wie ein Affe vor, er wolle attraktiv, ja sexy sein, hasse jedoch das Rockstarklischeehafte dahinter. „Live versuche ich das alles zu unterdrücken – und vernichte mich dabei selbst.“ Allerdings war ein künstlerischer Selbstmord selten so produktiv wie bei dem Endzwanziger aus New York – dem Woody-Allen-New York, nicht dem Bloomberg-Broadway-Börsen-New York.
Nirgends klingt Überdruss fröhlicher als bei Green, dem rasch das Label Anti-Folk angehängt wurde, was ihn zwar nicht freier, aber selbstbestimmter gemacht hat. Davon legt sein neues Album Minor Love wunderbar Zeugnis ab. Ob man das nun mit unbedeutender Liebe oder einer in Moll übersetzt, überlässt er dem Zuhörer – wie so vieles an seiner spärlich instrumentierten Musik. Minor Love ist Greens Vergewisserung, weiterhin nicht zu wissen, wo genau er steht, aber damit zufrieden zu sein. Und sie ist auch deshalb bezaubernd, weil er die Suche nicht mehr als Motor seines Werks überstrapaziert, sondern als Prozess einfach akzeptiert.
Noch immer kann Adam Green nicht tanzen, und aus purer Not, die Töne zu verfehlen, singt er seine lyrischen Textkaskaden nicht, sondern spricht sie und verströmt dabei die Aura eines Langweilers mit Desinteresse an echten Themen und Hypes. Aber es klingt weniger manieriert als methodisch. Wenn er zum Einstieg in Breaking Locks singt: „I’ve been too awful to ever be thoughtful to ever be nice„, scheint der nachdenkliche Poet in ihm nach Komplimenten zu fischen. In Wahrheit wühlt er aber nur im Gewöhnlichen alltäglicher Aggregatzustände, beim Frühstück, Rauchen, Verwirrtsein, Sichverlieren in irgendwas. Wie immer tut er dies in jenem leicht trübsinnigen, eher beiläufigen Tonfall, der ihn vor fünf Jahren bis in die Charts trug, zumindest hierzulande (in den USA kennt ihn westlich New Jerseys fast niemand).
So populär war Green, dass er in Stefan Raabs TV total auf dem Ledersessel saß und ihn der Kulturkanal Arte mit Carl Barât, dem Sänger der Libertines, „durch die Nacht“ schickte. Zweimal hatte er nach seinem dritten Album Gemstones (2005) versucht, die Lässigkeit eines altklugen Mittzwanzigers zu restaurieren. Doch erst mit der insgesamt sechsten CD ist das dem fast Dreißigjährigen gelungen. Dass er dafür die Zottelfrisur gekürzt hat, ist auch mehr als nur Ausdruck eines inneren Reifungsprozesses – es ist ein Statement, für Statements nicht zur Verfügung zu stehen.
So ist Minor Love ein schönes Zeugnis des Unkonkreten in Zeiten, die nach klaren Regeln, Parolen, Grenzen dürsten. Unbeholfen läuft er im Video von Buddy Bradley durch seine Blocks und singt davon, dass er nicht weiß, wovon er erzählen würde, wäre er nicht allein. Oh Shucks titelt er an anderer Stelle, was soll’s. Es ist mehr eine Frage als eine achtlose Feststellung. Die Suche nach Antworten geht weiter.
„Minor Love“ von Adam Green ist erschienen bei Rough Trade/Beggars
Dieser Artikel wurde in der ZEIT Nr.3/2010 abgedruckt.