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Ihr sollt sie fühlen!

 

Das neue Album von These New Puritans klingt, als hätten Rammstein für Hochschulabsolventen musiziert: düster, brachial, rhythmisch und sehr effektvoll.

© Harley Weir
© Harley Weir


Klassisch mollig der Einstieg, dann gleich auf die Zwölf: Das brachiale Hämmern von We Want War ist nichts anderes als eine Kriegserklärung an den gefälligen Indierock, der Kaufhausflure und WG-Partys beschallt.

These New Puritans nennen sich die vier Engländer, die hier zuschlagen. Hohe japanische Trommeln machen den Rhythmus, dazu subsonisch brummende Bässe, hektisches Geklacker, ein blechernes Klavier und böses Grunzen: „We want war!“ Puh.

Aus Essex kommen die Musiker, von der Themsemündung. Vielleicht klingt ihr zweites Album Hidden auch deshalb wie das Fanal zum Angriff auf die Klänge der vierzig Meilen entfernten britischen Hauptstadt, weil sie deren Abwässer und Abfälle jahrelang in der Nase hatten?

Bereits auf ihrem ersten Album Beat Pyramide wähnte man sich inmitten einer rituellen Handlung. Nur waren da noch schrammelige Gitarren, süßliche Keyboardmelodien und versöhnliche Refrains. Das ist alles fort. Denn auf Hidden nun schart sich alles um diese großen Trommeln. Am ehesten quetschen sich noch ein paar Bläser durch den dichten Basswall, die Stimme mit dem drolligen ostenglischen Akzent ist kaum noch klar zu vernehmen, auch die Gitarren spielen keine wichtige Rolle mehr. Und die einprägsame Melodie wird ersetzt vom Hymnischen, vom himmelhochjauchzenden Tirilieren. Diese Musik sollt ihr nicht hören, ihr sollt sie fühlen!

Und so fühlt sich Hidden manchmal an, als hätten Rammstein ein Album für Hochschulabsolventen aufgenommen. Düster, brachial, rhythmisch. Und vor allem effektvoll komponiert und arrangiert. Da soll das Zerquetschen eines menschlichen Körpers zu hören sein? Kein Problem, eine Melone, Kekse, ein Hammer – Squuuusch! (Und ab ins Presse-Info damit, denn was bringt der Aufwand, wenn nachher niemand drüber schreibt.)

Immer wieder weicht das Brachiale einer Verspieltheit (das ist bei Rammstein ja nicht anders, doch da stets Pose). Dann treten Blechbläser, Klarinette, Klavier und Vibrafon in den Vordergrund und geben vor, es sei nichts gewesen. Es sind Kampfpausen. Kaum lässt man sich etwa auf das rumpelig-versöhnliche Hologram ein, da brüllt Attack Music aus den Lautsprechern. Die Messer werden gewetzt, der Dunst der geschlagenen Schlacht steigt aus den Wiesen auf, der Geruch von Blut und Pferdedung liegt in der Luft. Nur konsequent, dass das Album im rein klassisch instrumentierten 5 endet.

Faszinierend ist Hidden in seiner Widersprüchlichkeit. Überall ist Hektik und Lärm – und doch hat man schließlich das Gefühl, das Spektakel sei in Zeitlupe vorbeigezogen. So wie die Bewegungen der Menschen im Video zu We Want War. Das Spiel der Muskeln ist darin radikal verlangsamt zu verfolgen. Die Bewegungen wirken nicht mehr human, die Körper schweben leblos durch das Bild. Ähnliches passiert mit den Liedern, die erdig und doch körperlos sind.

Spätestens dann ist auch klar, dass der Vergleich mit Rammstein in die Leere führt. Denn sie brauchen das Körperliche, um zu schockieren, vor allem den weiblichen Körper, um vom Verletzen und Zerstören zu fabulieren. Und sie sind den Kaufhausfluren und WG-Partys doch soviel näher, als These New Puritans.

„Hidden“ von These New Puritans ist auf CD und LP erschienen bei Domino Records.