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Lichter im Untergrund

 
These New Puritans aus England bauen eine „Beat Pyramide“. Zu hektischem Schlagwerk setzen sie Bassbrocken auf Gitarrenfels.

These New Puritans Beat Pyramide

Es ist, als warte ich auf einen aus dem Nichts auftauchenden Hubschrauber, der mich zu ihnen bringen soll. Der Geruch von Schweiß und Rauch liegt in der Luft und meine Notizen sind im flackernden Neonlicht schwer zu entziffern. Das dumpfe Dröhnen von Beat Pyramide, dem Debütalbum der These New Puritans, hallt durch den Raum. Der Strom ist ausgefallen, doch die Lichter des Untergrundes scheinen hell.

Das Zusammentreffen läuft anders als geplant. Auf dem Tisch liegt ein Einsatzplan und offensichtlich sind mehrere Strategien durchgespielt worden. Drei Männer und eine Frau erläutern, ich solle das zu Hörende nur als momentan favorisierte Version des Möglichen betrachten. Als das Ergebnis einer Reihe von Experimenten, bei denen sie sich oft nicht einig gewesen seien. Das Schlagzeug, die Gitarre und der Bass sorgen für die Stringenz und die innere Sicherheit der Stücke. Sie machen kaum einmal Halt, immer wieder schlüpfen sie in neue Anzüge, lassen sich verleugnen und verbünden sich mit den Effektgeräten. Sie sind Doppelgänger und Agenten im Dienste der vielschichtigen Modifikation.

Dieses Spiel braucht eine Parole: „Every number has a meaning!“ Überhaupt finden sich viele numerologische Anspielungen im Oszillieren zwischen persönlichen Geschichten und politischen Ideen. Konkretes haben These New Puritans nicht zu bieten, dafür jede Menge Fragen: „If not now then when?“ Man beginnt, Antworten zu suchen. Genau darum geht es wohl.

Swords Of Truth klingt so programmatisch, wie der Titel vermuten lässt und gleichzeitig so wenig didaktisch, wie man erwarten sollte. Die Musik kennt kein Zögern, der intensive Rhythmus gibt die Identität. Die zerschnipselten Trompeten haben sie im Laden um die Ecke geklaut, auf dem Weg hierher wurden sie ein bisschen ramponiert.

Als ich ansetze, eine Frage zu stellen, klingelt das Telefon. Mit einer Handbewegung werde ich zum Schweigen gebracht. Irgendein WuTang-Typ aus Amerika faselt von Neubauten und Industrieklängen, von Wurzeln und Manövern. Man müsse seine Kontakte am Laufen halten, wird mir erklärt. Jeder sei auf eigene Faust unterwegs, jeder bringe seine Vergangenheit und seine Vorlieben ein.

In En Papier klingen diese verschiedenen Aspekte kohärent. Unter treibenden Gitarrenriffs wechselt das Stück behände Rhythmus und Charakter, fließen Weltmusik und Ambient ein. Im Gegensatz dazu funktioniert Infinity ytinifnI geradezu stringent. Zu einem monotonen Bass, einer repetitiven Struktur und sparsamem Schlagwerk erklimmen wir einen Aussichtspunkt. Damit ist der Weg frei für Elvis. „We’re being watched by experts“, ruft der Sänger, mit atemberaubender Geschwindigkeit geht es gen Tal.

Ich frage noch, ob es stimme, dass die Zwillingsbrüder Jack und George Barnett schon als Kinder in imaginären Bands spielten. Sie lachen, dann erzählen sie von ihrer aktuellen Arbeit an einem Stück für sechs Akkordeons. Solchen Spagat wagt kaum, wer noch nie in einer Fantasieband spielte.

Das Album endet beinahe, wie es begonnen hat. Eine Frau verkündet „I will say this twi…”, sie beendet ihren Satz erst mit dem Neustart der CD: „…ce.“

„Beat Pyramide“ von These New Puritans ist auf CD und LP erschienen bei Domino Records/Indigo.

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