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Auf die alten Tage

 

Die Tindersticks sind zurück mit ihrem Album „Falling Down A Mountain“. Behutsam, merkwürdig und wohltuend klingt es, wie sie die eigene Geschichte wiederholen.

Die Tindersticks um ihren Sänger und Gitarristen Stuart Staples (© Indigo)
Die Tindersticks um ihren Sänger und Gitarristen Stuart Staples Stuart Staples (© Indigo)

Vor etwa einem Jahr standen die Tindersticks in der Hamburger Fabrik auf der Bühne und stellten ihr damals neues Album The Hungry Saw vor. Es war eine unerwartete Rückkehr – nachdem drei Gründungsmitglieder die Band verlassen hatten, der Sänger Stuart Staples Soloplatten einspielte und die letzten Alben ohnehin wenig inspiriert geklungen hatten. Auf The Hungry Saw schien sich die Band wieder gefangen zu haben.

Und dennoch: Sichtlich mies gelaunt stand die Band da auf der Bühne. Vieles funktionierte nicht, Saiten rissen, Takte stolperten. Dem Publikum wurde nur langsam warm. Die Tindersticks ächzten sich durch die ersten Lieder, sie litten, doch sie kämpften sich aus dem Tal. Auf halber Strecke kippte die Stimmung, die Leichtigkeit kam zurück. Die Musiker richteten sich auf und übergossen das Publikum mit warmen Tönen. Am Ende bedankte sich Stuart Staples beim Publikum: „It was – well, it became a pleasure to play for you.“ Sie hatten sich die gute Laune erspielt.

The Hungry Saw war ein Neustart, gleichzeitig war es eine Rückbesinnung auf die alten Tage. Nun erscheint Falling Down A Mountain und zeigt, dass die Tindersticks dem eingeschlagenen Weg weiter folgen wollen. Welche Wohltat!

Nach drei überwältigenden Alben Mitte der Neunziger war ihr Klang arg glatt geworden – nun schlägt er wieder Wellen. Schon die Lieder auf The Hungry Saw flirrten und atmeten wieder. Das war die Platte einer Band, die zu sich zurückgefunden hatte. Sie war der durststillenden Perfektion so fern wie das Debütalbum es einst war. Da war Chaos, da war Überschwang – vor allem waren da gute Lieder.

Und sind es noch. Falling Down A Mountain klingt, als wiederhole sich die Geschichte. Es scheint, als sei sich die Band nach dem hart erarbeiteten Neustart ihrer Freiheit wieder bewusst geworden. Ähnlich muss es ihnen ergangen sein, bevor sie ihr zweites Album aufnahmen, um das Jahr 1995.

So sind The Hungry Saw und Falling Down A Mountain so unterschiedlich, wie es die beiden frühen (namenlosen) Alben waren. Wo erst Flattern und Tapsen war, ein ungestümes Drängen und die Suche nach künstlerischem Ausdruck, da ist nun wieder Behutsamkeit. Eine Selbstsicherheit scheint eingekehrt zu sein, die jedem noch so skurrilen Ton den richtigen Platz und die angemessene Geste zuweist. Und die hier beinahe ins Dur führt, dort in eine jazzige Improvisation. Und skurril, ja skurril bleiben die Tindersticks.

Überhaupt ist es der Vielklang, der Falling Down A Mountain so gut steht. Das wohlbekannte balladeske Moll des Pianos wird immer wieder durchfahren: She Rode Me Down ist ein flottes Countryliedchen – mit Panflöte, Marimba und Händeklatschen. Das bittersüße Schalala von Harmony Around My Table wird vom Schellenkranz vorangetragen. „I found a penny, I picked it up, and all the day I had some luck. But now that was two weeks last Tuesday, since then there’s been a sliding feeling“, singt Staples. So wohldosiert mag man sich auch die manchmal etwas selbstmitleidige Melancholie seiner Texte gefallen lassen.

Die frühen Tindersticks ließen den zwei ersten Alben ein famoses drittes folgen, Curtains. Hoffen wir also, dass sich die Wiederholung der Geschichte fortsetzt.

„Falling Down A Mountain“ von den Tindersticks ist auf CD und LP bei 4ad/Indigo erschienen.