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Schluss mit Laut

 

Der Gitarrist Geoff Farina ist in seiner Band Karate fast taub geworden, also löste er sie auf. Sein posthumes Abschiedsgeschenk heißt „595“ und ist ein Livealbum.

Karate Live 595

Im Jahr 1993 gründete der Gitarrist Geoff Farina die Rockband Karate. Mit der Zeit taten seine Ohren weh, sie wurden immer schlechter. Als er außer Fiepsen fast nichts mehr hörte, löste er die Band auf. In zwölf Jahren hatten sie sechs Alben veröffentlicht und beinahe 700 Konzerte gespielt. Heute macht Geoff Farina ruhige Musik, Folk, Country und Blues.

Zuallererst waren Karate immer eine Rockband. Die meisten ihrer Alben nahmen sie zu dritt auf. In den frühen Jahren klangen ihre Lieder karg, jedes Klacken des Schlagzeugs, jedes Zupfen am Bass und jedes Streicheln der Gitarre sind deutlich zu hören. Geoff Farina sang dazu mit seiner hohen, weichen Stimme, er klang immer mehr wie ein Erzähler, als wie ein Sänger.

Bald wurde der Einfluss des Jazz größer, die Strukturen ihrer Lieder komplexer, die Takte origineller. Zwischen The Bed Is The Ocean aus dem Jahr 1998 und dem Doppelalbum Unsolved aus dem Jahr 2000 liegt ein Bruch. Die Gitarren wurden damals sanfter, die Leerstellen zwischen den meist ruhigen Taktschlägen noch größer. Ab und an stopfte ein Solo die Lücke, manchmal durften auch die Gitarren lauter werden. Anschlüsse an die damals explodierende Postrock-Szene Chicagos, an Künstler wie Tortoise, Jim O’Rourke und The Sea & Cake waren nicht zu überhören. Die Aufnahmen klangen immer noch roh, Karate blieb eine Rockband.

Die Gratwanderung zwischen Jazz und Rock waren reizvoll auf den Alben Unsolved und dem anschließenden Some Boots. Auf dem folgenden Album Pockets dann vergniedelten sie sich, solierten häufig, ihre Melodien waren angestrengt und flach.

Karate hatten einen ausgezeichneten Ruf als Liveband. Ihre Lieder spielten sie stets neu und improvisierten gerne. Im Sommer des Jahres 2004 bat sie das niederländische Label Konkurrent zu der Reihe In The Fishtank ins Studio. Dort experimentierten sie zwei Tage lang. Sie nahmen acht Coverversionen auf, darunter berührende Interpretationen von Bob Dylans Tears Of Rage, Billy Holidays Strange Fruit und Mark Hollis’ A New Jerusalem. Geoff Farinas Stimme trägt die Stücke. So stark wie hier war sie nie. Ein Jahr später spielten sie in Rom ihr letztes Konzert.

Die Musiker haben sich nun durch die Aufnahmen zahlreicher ihrer Konzerte gehört. Die ihres 595. Auftritts am 5. Mai 2003 im belgischen Leuven gefiel ihnen am Besten. Sie veröffentlichen ihn nun als posthumes Abschiedsgeschenk und nennen es sinnigerweise 595. Sechs der acht Stücke stammen von ihren beiden starken Alben Anfang des Jahrtausends, die beiden übrigen aus rockigeren Tagen. Wie diese Band lebt! Die Stücke strahlen vor Klarheit, die komplexen Strukturen lassen Platz für Ausreißer.

Jedes der Stücke gewinnt etwas hinzu. The Roots And The Ruins wirkt beschwingt, Airport drängend. Der Bass ist laut, Farina lässt erst seine Stimme tanzen und dann die flinken Finger auf der Gitarre. Sever kommt jazzfrei und auskomponiert daher. Mit dem zehnminütigen Caffeine Or Me endet das Konzert. Es klingt wie eine Zusammenfassung der Bandgeschichte. Das Stück beginnt melodiös und klar, nach einigen Minuten stößt man auf eine stabile Lärmwand. Am Ende in einer langen, ruhigen Improvisation fällt sie Stein für Stein wieder auseinander.

Besonders der Klang des Konzerts habe sie überzeugt, schreiben sie auf der Hülle. Auf der Vinylversion von Some Boots hatten sie ein Stück weggelassen, „due to sound quality considerations“ hieß es damals. Klang war ihnen immer wichtig. Das macht auch die Hülle von 595 deutlich: Fotografien, die Geoff Farina gemacht hat, Lichter und Wolken verschwimmen in Ahnungen, alles scheint ausgewaschen. So ungefähr wird er wohl heute hören.

„595“ von Karate ist als CD und Doppel-LP auf schwerem Vinyl bei Southern Records erschienen.

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