Es ist schon das zehnte Album von Of Montreal, und doch klingt es frisch wie ein Debüt: „False Priest“ balanciert die Spielarten des Pop höchst elegant.
In diesen Tagen, da Musiker mit ihrem Debütalbum gefeiert werden oder aber unbeachtet wieder in der Versenkung verschwinden, da alles also vom Beginn an auf alles oder nichts ausgerichtet ist, ist der Werdegang der Band Of Montreal unerhört.
Seit 15 Jahren experimentieren sie mit Soul-, Rock- und elektronischer Musik, haben bald 90 Coverversionen und neun Alben eingespielt, die meist vom Sänger und Multiinstrumentalisten Kevin Barnes allein am Computer produziert wurden. Dabei leisteten sie sich den Luxus der allmählichen Optimierung.
Für ihr zehntes Album False Priest sind Of Montreal in ein großes Studio gegangen und haben die perfekte Balance aus all ihren Einflüssen und eigenen Ideen gefunden. Das Album klingt so neuartig und vital wie ein Debüt, was nicht nur an der soundtechnischen Hochrüstung durch den Produzenten Jon Brion liegt, sondern Ergebnis der gelungenen Suchbewegung ist. Auf False Priest passt alles zusammen, auch Widersprüchliches fügt sich zu Wohlgefallen, die Gitarren und die Synthesizer, Disko und Rock, die egozentrischen Selbstinszenierungen von Kevin Barnes und seine zärtlichen Duette mit den Gaststars Janelle Monáe und Solange Knowles, das Heiße und das Kalte in dieser Musik.
Was ihre elegante, sich immer wieder lasziv verdichtende Melodieführung betrifft, hat die Band die Geschichte der Soulmusik verinnerlicht, das hindert sie aber nicht daran, die hymnische Elektrorocknummer Coquet Coquette als Single zu veröffentlichen.
Zusammengehalten werden diese unterschiedlichen Stile von Kevin Barnes‘ flexibler Stimme. Die stets von Überhitzung bedrohte Kieksstimme des Funk und Soul geht bei ihm eine ungewöhnliche Verbindung mit den kühlen Tönen und dem Sprechgesang des New Wave ein und sorgt mitunter für bukolische Stimmungen. So vermeidet die Band den musikalischen Priapismus, die konstante Erregung bei 120 Prozent, die manches an Prince‚ Werk so anstrengend macht. Bei aller Opulenz und Komplexität überschlägt sich die Dramaturgie der Songs nicht, sondern findet vom Höhepunkt stets zur Gelassenheit zurück.
Of Montreals Fusion-Pop ist kein oberflächlicher Stilmix, sondern das Ergebnis harmonisch miteinander verschmolzener Elemente aus mehreren Epochen – als hätten sich die Bee Gees und MGMT zu einer Supergruppe zusammengetan.
„False Priest“ von Of Montreal ist erschienen bei Polyvinyl/Cargo Records.
Aus der ZEIT Nr. 40/2010