Der Blues-Archäologe Robert Plant trifft die Folksängerin Alison Krauss. Einfühlsam erkunden sie die Frühgeschichte der amerikanischen Populärmusik
Bis ins hohe Alter die alten Hits spielen und bei jedem neuen Song mit dem früheren Ich verglichen werden – das Dasein als Rocklegende kann eine Last sein. Robert Plant hat sich davon befreit, indem er das Legendenmanagement zum Nebenberuf degradierte: Zwar verwaltet er seinen Ruf als Sänger von Led Zeppelin und wird bei deren Wiedervereinigung bald in London auf der Bühne stehen, doch zugleich sucht er Abenteuer, die sich stilistisch weit vom Höhepunkt seiner Karriere Mitte der 1970er Jahre entfernen. Die Rolle des ekstatischen Rock-’n’-Roll-Gottes überlässt er längst den jungen Musikern seiner Begleitband Strange Sensation. Er selbst bleibt, wie nun auf dem mit der Folksängerin Alison Krauss eingespielten Album Raising Sand, bei den leisen Tönen.
Plant und Krauss nehmen sich ältere Stücke vor, zumeist aus den frühen 1960ern, und zerdehnen sie in zarten Duetten. Es handelt sich um melancholische Popmusik in ihrer entspanntesten Form. Spärlich instrumentiert, mit wimmernden Untertönen von Streichinstrumenten und Pedal Steel Guitar, skizziert die Band um den Avantgarde-Gitarristen Marc Ribot einen Nachhall vergangener Träume. Townes Van Zandts Nothin’ erweist sich als perfekte Wahl für Plants Elegie: »Sorrow and solitude / These are the precious things / And the only words that are worth rememberin’«. Im Wabern, das das Eröffnungsstück Rich Woman grundiert, mag man eine Reminiszenz an Led Zeppelins Kashmir erkennen. Doch Plant bleibt sich auf klügere Weise treu: Der Blues, den Led Zeppelin bis an die Genregrenze überdreht hatten, so extrovertiert wie heute die White Stripes, ist auf Raising Sand das Medium einer intensiven Innenschau. Mit großem Einfühlungsvermögen und der gleichen Neugier, die Plant seit vielen Jahren für afrikanische Musik hegt, erweckt er zusammen mit Krauss die Kompositionen aus der Frühgeschichte amerikanischer Populärmusik zum Leben.
„Raising Sand“ von Robert Plant und Alison Krauss ist erschienen bei Rounder Records/Universal.
Dieser Artikel ist der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 8. November 2007 entnommen.
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