Wieder eine neue Supergruppe: DJ Danger Mouse und James Mercer von The Shins nennen sich Broken Bells und mischen elektronische Effekte und Indiepop unerhört stilsicher.
Und wieder haben sich zwei Koryphäen zusammengetan: Sie nennen sich Broken Bells. Die fusionierte Supergroup ist im Independent-Pop zurzeit der große Aufmerksamkeitserreger. Zum einen lassen möglichst überraschende Joint Ventures das Publikum staunen und mehren so per se den Ruhm der Beteiligten. Zum anderen sind diese Paarungsspiele eine Suchbewegung innerhalb der Popmusik: Auch wenn man nicht zwangsläufig sofort das nächste große Ding hervorbringt, so entdeckt man vielleicht eine Konstellation, die einfach verdammt gut klingt.
Nach den Bandprojekten The Dead Weather oder Them Crooked Vultures, in denen bereits zu Ruhm gekommene Musiker in neuer Konstellation Alben aufnahmen, versuchen es nun James Mercer von der Band The Shins und der auch als Danger Mouse bekannte Hip-Hop-Produzent Brian Burton miteinander.
Auf der Suche nach musikalischem Fortschritt ist den beiden US-Amerikanern auf Anhieb ein sehr heutiges und zugleich ganz und gar altmodisches Album gelungen, das eine orchestrale, kammermusikalische Strenge hat. Kein Misston stört die Beach-Boys-artige Harmonie. Danger Mouse, der auf seinem Grey Album die Beatles in einem unautorisierten Remix auf den Rapper Jay-Z prallen ließ, hat mit dem in Honolulu geborenen James Mercer ein geistesverwandtes Sprachrohr gefunden, das auch epigonalen Kompositionsideen eine eigene Stimme gibt.
Die Songs der Broken Bells will man sofort ein zweites Mal hören, weil man stellenweise kaum glaubt, was einem beim ersten Mal zu Ohren kam. Ein Höhepunkt ist The Mongrel Heart, das Burton und Mercer vom unterkühlten, leicht elektroverknarzten New-Wave-Stück in eine pathetische Western-Hymne à la Ennio Morricone und wieder zurück verwandeln.
Schwer zu sagen, wer in dieser Paarung mehr vom anderen profitiert. James Mercer, dessen Band The Shins für leichtfüßigen Qualitätspop bekannt ist, wird bei den Broken Bells jedenfalls auf tiefere und düsterere Pfade gelockt. Und Danger Mouse, der nicht nur am Schlagzeug, sondern auch bei elektronischen Soundeffekten versiert ist, sorgt für besonderen Mehrwert: Eine Ballade wie The High Road beruhigt den Hörer durch ihre Melancholie und vitalisiert ihn zugleich durch ihre Beats.
Mit der Verdrängung der virtuosen Sologitarristen und ihrer prägenden Riffs in der Independent-Musik ist die souveräne Beherrschung elektronisch-synthetischer Sounds in den Vordergrund gerückt: Gitarren nach hinten, Platz für die Computer und Keyboards! Die Broken Bells führen das meisterhaft vor. Wie sich diese Synthierockmoderne bei den Broken Bells mit traditionellen Elementen, den langen Amplituden der seufzenden Orgel, den Bläsern, Streichern und dem chorischen Hintergrundgesang verzahnt, das hat man derart elegant und stilsicher selten gehört. So sind die sparsam eingesetzten Elektrosounds niemals Schnörkel um der Schnörkel willen, sondern werden an Stellen platziert, an denen sie tatsächlich etwas erzählen.
Kommt das traurig-dumpfe Klingeln im Refrain von Citizen vielleicht von den zerbrochenen Glocken, die der Band ihren Namen geben? Solch rätselhaft Neues entsteht, weil Brian Burton und James Mercer ihre musikalischen Ideen auf den Tisch legen, ohne sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Vielleicht mussten sich diese beiden erst finden, um ihr ganz eigenes Ding zu machen.
„Broken Bells“ von Broken Bells ist als CD, LP und Download erschienen bei AR-Express/Sony.
Dieser Text wurde veröffentlicht in der ZEIT Nr. 11/2010.