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Und hinten brummen die Männer

 

Róisín Murphy, die Sängerin von Moloko, legt ein konsequentes Disco-Album vor – ohne Überraschung und zukunftsweisende Idee.

Roisin Murphy Overpowered

Solisten haben es nicht leicht. Sie sind die Marke, das Gesicht, der Name, sie repräsentieren das Produkt, während hinter ihrem Rücken ein Stab von Helfern und Blutsaugern wirbelt. Der Künstler ist das Kunstwerk. Doch die wenigsten berühmten Solisten des Pop sind musikalisch so vielseitig, dass sie den Komponisten, Produzenten und Ausführenden in sich vereinen. Outsourcing ist die Lösung: Die Musik besorgen andere. Der Solist gibt lediglich seinen Körper und seine Stimme. Wen wundert es, wenn solcher Projektmusik Intimität und Wärme fehlen?

Die Irin Róisín Murphy bekam einen Plattenvertrag bei EMI, weil sie die Manager an Robbie Williams erinnerte. So steht es im Heft zu ihrer neuen CD Overpowered – unkommentiert, denn Miss Murphy war über diese Parallelen vermutlich so erstaunt wie der Leser.

Zehn Jahre lang waren sie und ihr Lebenspartner Mark Brydon das Duo Moloko. Ihre intensive Zusammenarbeit endete im Jahr 2003 in dem Album Statues, ein saftiges, ergreifendes Werk zwischen Disco und Weltschmerz.

Da stand sie nun, Róisín Murphy, die extravagante und extravertierte Sängerin, und suchte nach neuen Perspektiven für sich und ihre Stimme. Sie traf den Londoner Elektronikbastler Matthew Herbert und zog sich mit ihm in sein Klanglabor zurück. 2005 kam Ruby Blue heraus, eine Platte, die Murphys markanten Gesangsstil mit Herberts jazziger musique concrète verbindet.

Projekt fertig, auf zum nächsten. Sie wollte ein Disco-House-Album machen und bot sich der Plattenfirma EMI an. Das Geld war da, man verpflichtete die besten Produzenten in Philadelphia, Miami, New York, Las Vegas, Barcelona, London, nahm die besten Musiker, um den alten Phillie-Sound zu rekonstruieren und zu modernisieren. Das ist durchaus gelungen.

Overpowered ist ein konsequenter Tanzbodenfüller, doch es fehlt ihm an Zauber und Neuigkeit. House-Klischees der Siebziger und Achtziger werden ausgebreitet, hier ein Klatschen, dort ein Hecheln, dazu pumpende Synthesizer-Bässe und ganz viel Hall. Ab und zu brummen Männerchöre im Stakkato, wie man es von Timbalands Hitparaden-Pop kennt. Alles ist poliert, eingängig, beingängig – Kylie Minogue und Sophie Ellis Bextor hüpfen nebenan. Gewiss, Disco ist Murphys Konzept. Aber es entbehrt jeder Überraschung.

Dies ist umso enttäuschender, brachte doch Róisín Murphy bisher immer etwas Unerhörtes, Frisches. Ihre Musik war State of the Art, Idee und zukunftsweisende Botschaft. Overpowered drängt nirgendwohin. Es kommt über Damals und Heute nicht hinaus.

Ist das symptomatisch für den Pop-Betrieb? Sind Solisten bei großen Plattenfirmen gezwungen, sich von ihren Idealen zu verabschieden? Was bleibt dann für morgen?

Robbie Williams jedenfalls prophezeit man keine große Zukunft mehr. Sein letztes Album war kein Erfolg, weil er sich die falschen Produzenten ausgesucht hatte. Vielleicht hat Róisín Murphy mehr Glück und findet bald zu alter Form zurück.

„Overpowered“ von Róisín Murphy ist erschienen bei EMI.

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