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Seufzen über Darwin

 

Der Folkpop von The Low Anthem wirkt wie ein ruhiger Fluss in Ohio. Ab und an ergießt sich eine Sturzflut durch den Strom

Unser Audioplayer wird derzeit überarbeitet
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Der Albumtitel mag ironisch sein, doch ihre Musik nimmt die US-amerikanische Band The Low Anthem so ernst wie die drei Tenöre. A-capella-artig und sakral erklingt der Eröffnungssong des Albums, Oh My God, Charlie Darwin, eine hohe, leicht angerauchte männliche Hauptstimme schwebt über den Szenen, nur von harmonischem Hintergrundgesang und spärlicher Akustikgitarre begleitet.

The Low Anthem sind Mythenbeschwörer, mit ihrem zurückhaltenden Folkpop lassen sie Szenen der amerikanischen Landschaft vorüberziehen. Reinste Hobo-Melancholie, wie sie im Song To Ohio die vier Silben des gleichlautenden Refrains zelebrieren. Im Seufzer über Darwin ist neben aller Ironie auch Verzweiflung über den Verlauf der Evolution angelegt, weil die Krone der Schöpfung doch ziemlich orientierungslos mit einer Menge unbeantworteter Fragen dasteht. Tröstlich, wenn man sich wenigstens zarte Hymnen zusingen kann: „Oh my God, Charlie Darwin, where are you now?

© Nonesuch
© Nonesuch

Doch The Low Anthem sind eine Zwei-Songarten-Band, die auch ganz anders kann. Als Kontrast zu den hingehauchten Folkballaden verwandelt sich in Liedern wie The Horizon Is A Beltway das Rauchige in der Stimme zum whiskeywahnsinnigen Krächzen der Tom-Waits-Schule, und das zuvor dezent wischende Schlagzeug stampft einen heftigen Blues.

Das strikte Verfolgen dieses deutlichen Gegensatzes und das Vermeiden von Mischformen sind keine Limitierung, sondern ein dramaturgisches Mittel, um das Album spannungsvoll zu gestalten.

So zeigen The Low Anthem, dass sie im Kern eine Rockband sind und ihre Einkehr letztlich aus Wut resultiert. Man muss sich Oh My God, Charlie Darwin wie einen ruhigen Fluss in Ohio vorstellen, durch den ab und an eine Sturzflut sich ergießt.

„Oh My God, Charlie Darwin“ von The Low Anthem ist auf CD, LP und als Download bei Nonesuch erschienen.

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