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Immer derselbe Stiefel

 

Ein Sommer mit Super-Duper-Doppel-Hype: La Roux und Little Boots sind die neuen Prinzessinnen des Elektropop. Dabei ist ihre Musik weder gut noch innovativ.

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La Roux – In For The Kill
 
Von dem Album: La Roux Universal 2009

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Cover

 
Little Boots – Remedy
 
Von dem Album: Hands Warner Music 2009

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Endlich. Es ist Ende Juni, und wir erleben den Hype dieses Jahres. Einen Super-Duper-Doppel-Hype sogar. Universal und Warner Music haben sich in Stellung gebracht, um zeitgleich ihre PR-Kanonen zu zünden. Beide haben ein frisches, englisches, telegenes Elektropopmädchen, das – so die britische Musikpresse will – die nächste Madonna wird. „La Roux oder Little Boots?“ ist nun die Frage. Oder aber: „Wer, außer der Musikindustrie, braucht eigentlich eine zweite Madonna?“

Jesus, Maria! Wir ahnen: Es geht ums Geld. Die großen Plattenfirmen schnappen sich verheißungsvolle Musikerinnen aus der Netz-Szene und pusten sie mit finanziellem Nachdruck an die Spitze der Hitparaden.

Im Falle von La Roux erhält die Kritikerin das Debütalbum in MP3-Format, dann eine Einladung ins PR-Büro zur Vorführstunde, dann eine Metallschatulle mit einer DVD, drei Songs, einer Brosche, einer Postkarte, einem tomatenroten Lippenstift, und zuguterletzt kommt, eine Woche vor der Veröffentlichung, die vollständige CD per Post. Schade, dass kein Onduliereisen anbei lag, sonst hätte sich die Empfängerin eine ebenso famose Tolle frisieren können, wie die Londonerin La Roux alias Elly Jackson sie trägt. Was soll’s. Andernorts besticht man Redakteure mit Anzeigenkäufen, damit die Sternchen prominent besprochen werden, noch bevor der Rezensent einen Ton gehört hat.

Also schön. Brosche hängt dran, Lippen sind rot, jetzt die Musik: Wer sich die Zeit nimmt, um durch La Roux‘ gleichnamiges Album und Little Boots‘ Hands zu schalten, muss sich über den ganzen Wirbel wundern. Weder die 21-Jährige mit den roten Haaren, noch die 25-Jährige mit den kleinen Stiefeln bringen etwas mit, worauf die Musikszene brennend gewartet hätte. All das haben Annie, Robyn, Kylie, ja, sogar Lady Gaga schon besser gemacht. Und ihre popsynthetischen Vorbilder in den Achtzigern allemal.

Little Boots greift zu knarzenden, viel versprechenden Klängen und Rhythmen, die sie im Nu in einer gehaltlosen, zuckrigen Sauce ertränkt. Ihre Melodien und Texte? Simpelster Schlager. Kaum verwunderlich, wenn sie im kommenden Jahr gegen bärenbefellte Moldawen beim Eurovision Songcontest anträte. Immerhin, Little Boots singt besser als Madonna dazumal mit 25, aber auch das ist keine große Kunst. Ihre Stimme klingt durchschnittlich, ausdruckslos. Seit sie vor acht Jahren unter ihrem bürgerlichen Namen Victoria Hesketh in der englischen Ausgabe von DSDS scheiterte, hat sich offenbar nicht viel getan.

La Roux stellt sich etwas geschickter an. Ihre Lieder sind einfacher produziert, wollen gar kein Bombastpop sein. Ihre naiven Casio-Keyboard-Schleifen bringen doch eine gewisse Spannung ins Konzept, wenn auch keine Überraschungen. Dazu singt sie wechselhaft, eindringlich, bisweilen sirenengleich. Ihre Liebeslieder für Disko und Schulbank kann man beim ersten Hören mitsummen. Einige, wie Quicksand oder In For The Kill, bleiben sogar im Gedächtnis.

Aber nicht lang. Spätestens im nächsten Sommer brauchen Warner und Universal einen neuen Hype. La Roux und Little Boots täten gut daran, sich bis dahin ein paar markante Lieder auszudenken, die auch ohne provozierten Presserummel ein großes Publikum finden.

„La Roux“ von La Roux ist bei Universal Music, „Hands“ von Little Boots bei Warner Music erschienen.

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