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Vom Maler zum Anstreicher

 

Vor acht Jahren haben Zoot Woman mit ihrem Debüt schillernde Maßstäbe gesetzt. Mittlerweile klingt die halbe Popwelt wie sie, da wirkt ihr neues Album nur farblos und verstaubt

Cover

 
Zoot Woman – Lonely By Your Side
 
Von dem Album: Things Are What They Used To Be Universal 2009

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Stuart Price ist ein emsiger Restaurator. Vor vier Jahren pinselte er das heruntergekommene Haus von Madonna neu an. Hier ein verspieltes Ornament, dort eine mondäne Gipsfigur, hier ein Meter synthetisierten Stucks, dort eine Treppe geraden Beats. Madonnas alte Heimstatt glich einem nagelneuen französischen House und schillerte modern und tanzbar. Ihre Confessions On A Dancefloor klangen genauso wie wir uns heute an die Achtziger erinnern möchten. Blaupause dieses neuen Anstrichs waren die Alben von Stuart Prices eigenen Projekten Zoot Woman und Les Rythmes Digitales.

Seitdem ließen sich zahlreiche Stars und Sternchen von ihm die Fassade verzieren. Britney Spears, Kylie Minogue, Seal, die Killers – sie alle klangen nach Zoot Woman, wenn Stuart Price in manchen Fällen auch nicht einmal seine Finger im Spiel hatte. Er produzierte und remixte, sein Klang wurde populär. So populär, dass seine eigene Band nun zur Epigone geworden ist: Auf ihrem neuen Album Things Are What They Used To Be erscheinen sie daher als ideenloser Abklatsch ihrer selbst.

Haben Zoot Woman das Problem vielleicht selbst erkannt und dem Werk deshalb diesen Titel gegeben? Natürlich ist 2009 nicht mehr 2001. Damals erschien ihr Debüt, Living In A Magazine. Das war eine tolldreiste Mischung aus kühlem Synthesizerpop und schwitzigem Discowummern. Seitdem ist viel passiert: Der französische House, Daft Punk, Hot Chip wurden zum Mainstream. Vieles, woran sich vor sechs Jahren die Härchen im Ohr noch rieben, schallt heute folgenlos durch die Gehörgänge.

So also auch Things Are What They Used To Be: flache Beats, stumpfe Melodien. Seidenmattfarbe aus dem Baumarkt überdeckt das mysteriöse Schillern von einst, der Stuck ist aus Styropor, jemand hat Löcher reingepopelt. Die Oberfläche der neuen Lieder ist unifarben und glatt, daran kann sich niemand festhalten. Da ist nichts Hintergründiges, nichts Vertracktes mehr, keine Verzierung regt das Auge an. Fast vermeint man den Liedern eine Ironie anzuhören, die Zoot Woman früher nicht brauchten und die ihnen auch heute nicht steht.

Ermüdet schieben Zoot Woman ihre zwölf neuen Gassenhauer über die Tanzfläche vor der NDR2-Bühne auf der Kieler Woche. Ja, das hat man alles schon gehört. Zoot Woman klingen heute nicht mehr originell sondern zitieren die Originellen der vergangenen Jahre: Erlend Øye, Hot Chip … und nicht zuletzt sich selbst und damit wiederum Madonna. (Und nebenbei gesagt: Selbst deren Confessions On A Dancefloor war wahrlich aufregender als Things Are What They Used To Be.) Wenn es ganz schlecht läuft – und das tut es etwa bei Witness – dann klingen Zoot Woman wie ihr eigener U2-Remix.

Ob die Lieder nun wirklich so lahm sind oder die Ohren an der Zootwomanisierung der Welt ertaubt, lässt sich kaum sagen, es ist letztlich auch gleich. Stuart Price ist vom Kunstmaler zum Anstreicher geworden, vielleicht schon viel früher. An Things Are What They Used To Be wird das nun offenbar. Der Zoot Suit mit den aufgepolsterten Schultern und Karottenbeinen ist grau und staubig geworden.

„Things Are What They Used To Be“ von Zoot Woman ist auf CD und LP bei Snowhite/Universal erschienen.

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