Während Maximo Park an schweren Winterstoffen arbeiten, wirft sich ihr Sänger Paul Smith einen schmuddeligen Morgenmantel über: „Margins“ heißt sein erstes Soloalbum
Der eine Paul Smith gilt als einer der bedeutendsten britischen Modemacher. Der andere Paul Smith hat sich immerhin bemüht, die Melone zur anerkannten Kopfbedeckung in der Popmusik zu befördern. Erfolgreicher war er allerdings als Sänger von Maximo Park. So erfolgreich, dass er sich nun sogar mit diesem Allerweltsnamen als Solist versuchen kann.
Für sein erstes Album unter eigenem Namen habe er jene Kompositionen aufgenommen, die nicht einzupassen waren ins Konzept seiner Band, die es übrigens weiterhin gibt. Tatsächlich unterscheiden sich die Songs auf Margins fundamental von der schwerfälligen Rockmusik, mit der Maximo Park zu einer der erfolgreichsten britischen Bands der Nuller Jahre wurde. Keine knarzenden E-Gitarren, kein bollerndes Schlagzeug, keine zum Mitgröhlen geeigneten Choräle.
Stattdessen: Verträumtes Plinkern auf der Akustischen, sanftes Rascheln aus der Perkussionsabteilung, unsicher taumelnde Melodien. Hört man Margins, kann man ziemlich leicht verstehen, warum die Kumpels von Maximo Park immerzu Nein gesagt haben zu diesen Songs.
Denn die Lieder sind lange nicht so stringent, wie es Maximo Parks knochentrockener und energisch treibender Indierock verlangen würde. The Crush And The Shatter verliert sich immer wieder in wattigen Hallräumen. Strange Friction kann sich nicht entscheiden, in welchem Tempo es denn nun voran stolpern möchte. I Wonder If erscheint wie der Versuch, sogar noch verhuschter als Kate Bush zu wirken. Und This Heat kommt von Anfang an so somnambul daher, als wollte sich Smith demnächst einen Bart stehen lassen und Neo Folker werden.
So geht es fröhlich weiter: Verspielte Klimpereien, vertrackte Rhythmen, verschobene Geschwindigkeiten, verschwiemelte Stimmungen, im Britpop eigentlich verbotene Instrumente wie Ukulele oder Cello. Zwar geht Smith die Theatralik seines erklärten Helden Freddie Mercury ab, aber der stilistischen Bandbreite des verstorbenen Queen-Sängers eifert er durchaus nach.
Klar, schon allein wegen Smiths Stimme mit ihrer so typischen, nordenglischen Färbung ist die eine oder andere Erinnerung an Maximo Park unvermeidlich. Aber ein Eindruck drängt sich auf: Da hat jemand ganz dringend mal den Käfig verlassen wollen, in den ihn seine Band, deren Erfolg und die darauf folgende musikalische Festlegung zuletzt eingesperrt hatten.
Mindestens ebenso drängend erscheint aber auch: Wenn sich Paul Smith nun ausreichend ausgetobt hat, sollte er vielleicht doch lieber zurückkehren in den Schoß der Band. Denn zwar besetzt er im Vergleich zu anderen Britband-Vorstehern, die in diesem Jahr erste Soloalben veröffentlicht haben, das solide Mittelfeld, ist besser als Fran Healy von Travis, aber eben auch deutlich schlechter als Carl Barát, der früher bei The Libertines und den Dirty Pretty Things war. Margins ist eben eine Fingerübung: Kaum einer der Songs hinterlässt einen dauerhaften Eindruck.
Nur bisweilen scheint Smiths Fähigkeit auf, Erinnerungswürdiges zu verfassen, meist plätschert das Album freundlich dahin. Die schweren Wintermäntel hat Smith wohl seiner Stammband überlassen, die derweil am Material für ein viertes Album arbeitet. Übrig blieb für Margins nur der schmuddelige Morgenrock, der schon ewig rumhängt, und nun mit ein paar bunten, aber mitunter unpassenden Federboas aufgehübscht wurde. Für die Herrenausstattung sollte wohl besser der andere Paul Smith zuständig bleiben.
„Margins“ von Paul Smith ist erschienen bei Billingham/Cooperative Music
Paul Smith im Konzert: 5.11. Hamburg, 6.11. Berlin, 8.11. München, 9.11. Heidelberg, 10.11. Köln