Sein Soundtrack zu „About A Boy“ schob Badly Drawn Boy ins Rampenlicht, aber dort gefiel’s ihm nicht. Sein neues, anrührendes Album ist ein Höhepunkt voller Tiefpunkte.
Wer sich wundern sollte, wo Badly Drawn Boy abgeblieben war: Er war berühmt geworden. Aber nur kurz. Ziemlich kurz sogar nur. Der Ausflug des eher knuffigen als glamourösen Songwriters in die britische Hype-Maschinerie führte ihn sogar in die Klatschspalten, aber endete eben nicht in den obersten Regionen der Charts. Oder anders: Der Versuch, Damon Gough, seinen Fusselbart und seine grob gestrickten Mützen zu Starmaterial zu formen, stellte sich als ziemlich hoffnungsloses Unterfangen heraus.
Jetzt also It’s What I’m Thinking Pt.1 – Photographing Snowflakes. Schon der sperrige Titel signalisiert Verweigerung, liest sich wie ein Comeback in die Versenkung. Mit der ersten Folge seiner geplanten Trilogie beweist Gough, dass er sich wohler fühlt, wenn er sich nicht gezwungen sieht, seine Schwermut massenkompatibel zu gestalten. Das hat zwar eine Zeit lang ganz gut funktioniert, nicht zuletzt mit seinem Erfolgsalbum The Hour of Bewilderbeast aus dem Jahr 2000 und dem zwei Jahre später folgenden Soundtrack zur Nick-Hornby-Verfilmung About A Boy. Doch der großen Plattenfirma, die ihn daraufhin verpflichtete, lieferte er keine weiteren Hits, sondern mit Born In The U.K. eine Selbstfindungskrise in Albumlänge. Das war es dann mit dem großen Durchbruch.
Auf Photographing Snowflakes nun verarbeitet er die Erfahrungen mit der ungewollten Prominenz. Erlaube Dir selbst, frei zu sein, singt er gleich im ersten Song. Später beschreibt er die Unfähigkeit damit umzugehen, eine öffentliche Person zu sein: „10 feet tall, but feeling small„. Aber Gough wäre nicht wieder er selbst, würde ihn die neu gewonnene Freiheit über die Maßen fröhlich stimmen. Könnte man Melancholie messen, sollte man sie womöglich in Badly Drawn Boys einteilen, denn seiner Meisterschaft im Verzagtsein konnte auch der zwischenzeitliche VIP-Status nichts anhaben: In der nach unten offenen BDB-Skala erreicht Gough neue Talsohlen. Aber das ist, der Standpunkt ist da entscheidend, natürlich höchstes Lob: So schmerzverzerrt juchzen die Streicher, so schluffig schlürfen die elektronischen Beats, so desillusioniert und zugleich sehnsüchtig singt der Schlecht Gezeichnete Junge vom letzten Foto der verlorenen Liebschaft und vom ernüchternden Blick in den Spiegel.
Der Höhepunkt dieser Abfolge an Tiefpunkten ist A Pure Accident. Das Stück wirkt musikalisch zwar vergleichsweise aufgeräumt und beschreibt auch eine gewöhnlich als positiv empfundene Ausgangsposition, nämlich den Start einer neuen Beziehung. Gough aber wirft sich im Text bereits vorsorglich, dafür mit voller Inbrunst in den Staub. Es tue im schon jetzt leid, falls die Sache schiefgehen könnte, vor allem aber, dass er ihren Lieblingssong nicht leiden könne. Das Fazit: Das Konzept Zweisamkeit könne zwar „eine wundervolle Idee“ sein, aber eben auch nur ein „weit verbreitetes Missverständnis“.
Wer sich also wundern sollte, wie es Badly Drawn Boy geht. Es geht ihm endlich wieder irgendwie nicht so gut, aber das fühlt sich ganz vorzüglich an.
„It’s What I’m Thinking Pt.1 – Photographing Snowflakes“ von Badly Drawn Boy ist erschienen bei Twisted Nerve/Edel.
Badly Drawn Boy auf Tour: 15.11. München, 19.11. Köln, 21.11. Berlin, 22.11. Hamburg