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Gitarre schlagen, Gitarre streicheln

 

In den Achtzigern spielte J Mascis mit Dinosaur Jr. den heißesten Rock zwischen hier und der Hölle. Jetzt hat er ein akustisches Solo-Album aufgenommen.

© Sub Pop

Man muss J Mascis nicht kennen. Sollte man aber. Finden jedenfalls einige von jenen, die die Achtziger Jahre des vergangenen Jahrzehnts noch bei halbwegs wachem Verstand erlebt haben. Damals nämlich spielte Joseph Donald Mascis die heißeste Gitarre zwischen hier und der Hölle und rettete ganz nebenbei ein paar Leuten das Leben, die im toten Winkel zwischen Punkrock-Stumpfsinn und Synthie-Pop-Blödsinn verloren zu gehen drohten.

Egal, das war gestern. Heute ist Herr Mascis 45 Jahre alt, trägt sein Haar immer noch schulterlang, aber betongrau, und hat erstmals in seiner langen Karriere seine gefürchtete Gitarre nicht elektrisch verstärkt. Zugegeben, das mag nur in gewissen, sehr eingeschränkten Kreisen (s.o.) eine Sensation sein, aber die paar Überlebenden von damals, die wird es freuen: Mit dem streng akustisch und ziemlich spartanisch eingespielten Several Shades Of Why legt J Mascis erstmals offen, dass er auch ein ziemlich großartiger Songschreiber und Sänger ist.

Okay, dem einen oder anderen ist das auch vorher schon nicht verborgen geblieben. Allerdings hatte sich Herr Mascis in seiner Eigenschaft als Alleinherrscher von Rockbands, die er Dinosaur Jr. oder kurz mal The Fog taufte, nicht nur den Ruf erspielt, ein ziemlich unleidlicher Zeitgenosse zu sein. Er war schnell auch dafür bekannt, das Signal seiner Gitarre so effektiv durch Verzerrer und andere Effektgeräte zu leiten, dass schon die schiere Wucht des Sounds den Zuhörer an die Wand drückte, die hin und her zischelnden Tönchen ihn aber zugleich freundlich in den Arm nahmen.

Dinosaur Jr. verbanden Folk-Seligkeit mit Punk-Aggressivität, Beach-Boys-Harmonien mit der Virtuosität von Eddie van Halen, und wurden zum prägenden Vorbild des amerikanischen Indierock, das bis heute gern mal kopiert, aber selten erreicht wird.

Die bereits erwähnten Probleme in der Menschenführung führten einerseits dazu, dass der 1989 rausgeworfene Dinosaur-Jr.-Bassist Lou Barlow die großartigen Bands Sebadoh und The Folk Implosion auf den Weg brachte. Andererseits wurden Dinosaur Jr. allzu lange als egomanisches Projekt weitergeführt, bis Mascis endgültig altmodisch und zum gut gehüteten Kultobjekt geworden war.

Die völlig unerwartete Versöhnung von Barlow und Mascis sorgte aber immerhin für die – behaupten wir jetzt mal – gelungenste Reunion der an Reunionen nicht eben armen Nuller Jahre, und außerdem für die beiden überraschend spitzenmäßigen Alben Beyond (2007) und Farm (2009).

Die litten höchstens unter der Marotte von Mascis, jeden Song mit einem ellenlangen Gitarrensolo abzuschließen. Das kann er sich nun auf Several Shades Of Why meistens verkneifen. Ansonsten singt er mit seiner Neil-Young-Stimme wie gewohnt von der Fährnissen der Liebe und der Freundschaft, aber nun zupft er die Gitarre und streichelt sie, verlässt sich auf die Harmonien und melancholischen Melodien, die er geschrieben hat, lässt gelegentlich ein Cello oder ein Tambourin, auch mal Piano oder Klarinette eine Kleinigkeit hinzufügen, und müht sich ansonsten, vor allem die wunderbar verträumten Songs nicht durch Gitarrenwände zuzustellen.

Nur einmal, in Where Are You, entwischt ihm wieder die doofe E-Gitarre. Das ist natürlich auch sehr prima. Aber das kannte man ja schon. Also jedenfalls die, die J Mascis schon kannten. Und das war beileibe, wir hatten es ja erwähnt, nicht jeder.

„Several Shades Of Why“ von J Mascis ist erschienen bei Sub Pop/Cargo.