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Gieß Budweiser ins Klavier!

 

Der Amerikaner Alexander Ebert ist vom Partypunk zum Zottelhippie mutiert. Auf seinem neuen Album verbeugt er sich vor den Großen der Songwriterzunft. Ein Riesenspaß

© Vagrant Music

Das Leben von Alexander Ebert muss man sich wohl als ein ewiges Auf und Ab vorstellen, als Abfolge von Gegensätzen. Da schleppt der Papa, ein Psychotherapeut und Musikologe, den kleinen Alex singend durch die Wüste, bringt ihm Willie Nelson, Johnny Cash und Patsy Cline nahe – und was macht das undankbare Balg als Teenager? Hört Hip-Hop, will Rapper werden und macht dann mit Ima Robot sowas wie Elektro-Punk. Auch noch erfolgreich, mit Vertrag bei Virgin und so.

In den ersten Jahren des Millenniums übertrieb Ebert es ein bisschen mit den Partys und den Drogen. Er beschloss, sich zu ändern, warf seine Freundin raus, lebte in einem winzigen Zimmer auf einer Luftmatratze und entwickelte sein Alter Ego Edward Sharpe, einen verhinderten Messias, der sich ständig in Mädels verknallt, anstatt die Welt zu retten. Zum Beispiel in die Sängerin Jade Castrinos, mit der er die Band Edward Sharpe and the Magnetic Zeroes gründete.

Ein Paar sind die beiden nicht mehr, aber die Band schlug ein, ist zur Kommune gewachsen – und Ebert braucht anscheinend wieder eine Pause. Jedenfalls hat er sich Grundkenntnisse auf allerlei Instrumenten beigebracht, sich wieder mal in ein Zimmer eingeschlossen, ganz allein ein Album aufgenommen und es Alexander genannt. Alexander, nicht Edward. Auf dem Cover ein kleiner Junge, mutmaßlich Alexander, in Ringelshirt und stolzer Pose. Da will wohl jemand zurück zu sich selbst, würde sein Vater vermutlich sagen.

Egal, wie viel Inszenierung da drinsteckt: Was der zum Zottelhippie mutierte Partypunk spielt, macht einfach Riesenspaß. Wie man trotz ständiger Verbeugungen vor den Großen der Songwriterzunft noch so aufrecht gehen kann, ist ein Rätsel. Es muss an den Muskeln liegen, die so ein Heimwerker entwickelt: „Ich wollte eine Platte mit meinen eigenen Händen schaffen“, sagt der Kalifornier laut seiner Plattenfirma, „als würde man ganz allein ein Haus bauen“. Es gibt immer was zu tun, yippie yah yah yippie yippie yeah.

Herrlich wackelig ist diese Bude, auf porösem Gitarrenfundament errichtet, mit Klarinettenrohren als Dachbalken, Geigensaiten als Elektrokabeln und Orgelpfeifen als Wasserrohren, tapeziert mit Fistelbackgroundchören. In der Ecke steht ein Klavier, aus irgendeinem Saloon gerettet, täglich mit einer Dose Budweiser begossen.

Mittendrin Alexander, mal als Paul Simon verkleidet, mal dylanesisch näselnd, mal wie Cat Stevens vor der Bekehrung. Mal wie der eine oder andere Beatle (aber sicher nicht Paul), mal mehr Tom Petty. Mal leicht katarrhiger Everly-Bruder, mal Gospelkrähe. Und immer er selbst. Dazu ein Schnippen und Klatschen, Pfeifen und Kazooen, dass es eine Art hat. Ein bisschen wie eine lange Give-Peace-A-Chance-Session in Strandhütte statt Hotel, ohne Yoko.

Hommagen ohne Ende, an Ennio Morricones Western zu Beginn des großartigen, im Mittelteil Dub-infizierten Truth und auf dem Cover dazu an Dylans Nashville Skyline. Und dann diese verschrobenen Texte, auf handschriftlichem Faltblatt beigelegt, die selbst noch bei der Androhung eines Suizids humorvoll bleiben!

Durch die Türritzen der Ebertschen Selbstbaubude pfeift der Wind aus mindestens einem halben Jahrhundert Popgeschichte, durch die Fenster fällt der Blick auf Weltall und endlose Weiten. Herrliche Aussichten.

„Alexander“ von Alexander Ebert ist erschienen bei Vagrant Music/Beggars.