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Der wunderbare Blues-und-Boden-Sound

 

Zu Wim Wenders‘ „Pina“ steuerten sie ein Stück bei. Nun bringen Hazmat Modine ihr neues Album „Cicada“ heraus: Es wurzelt tief im amerikanischen Humus.

© Jaro

Hazmat Modine ist das Ding aus den Sümpfen. Ein urzeitliches Dschungelmonster, das mit langen Krallen Mangrovenwurzeln im Mississippidelta aushöhlt, um mit Zuckerrohratem brünftige Balzgesänge hindurchzuröhren. Ein flammenspeiender Stier, der auf dem Rücken eine Schildkröte trägt, auf deren Panzer eine Schüssel balanciert, in der das gesamte bekannte Universum schwappt. Eine Monsterzikade, die ihr sehnsuchtsvolles Lied in den Präriewind geigt.

Hazmat steht für hazardous material, Gefahrengut, und die Firma Modine stellt Heizlüfter her. Die Bandgründer Wade Schuman und Randy Weinstein bastelten den Namen, weil ihr Kollektiv mit den vielen Blasinstrumenten – mindestens zwei Mundharmoniken, Tuba, Trompete, Saxofone verschiedener Lagen, manchmal Flöten, Klarinetten, armenischem Duduk, um nur ein paar zu nennen – „eine Menge heißer Luft“ produzieren sollte. Gefährlich klingen wohl auch.

Schuman, geboren 1962 in Ann Arbor, Michigan, unternahm mit zehn erste Versuche auf der Mundharmonika, inspiriert vom älteren Bruder. Dann wurde er doch Kunsthistoriker und Maler, brachte es bis an die New York Academy of Art, wo er heute unterrichtet. Hazmat Modine entstanden Ende der Neunziger, als Schuman und Weinstein sich in einem Kreis von Hobbyharmonikaspielern trafen. Inzwischen besteht die Band aus einem festen Kern von acht Musikern, denen sich für Aufnahmen und manche Konzerte etliche Gäste und ehemalige Bandmitglieder (darunter Weinstein) hinzugesellen.

Bahamut hieß 2007 das Debütalbum mit seinem furiosen Spoken-Word-Titelsong. Schon da verband sich der Blues-und-Boden-Sound aus den Eingeweiden Amerikas mit Weltläufigem, waren die Kehlkopfakrobaten Huun Huur Tu aus Tuwa zu Gast und flossen Rhythmen und Melodien von Rocksteady bis Calypso, von Gypsyklezmer bis Hurenhausgeheul ein. Irgendein Kritiker oder Marketingmann klebte das Etikett Pan-Ethnic Roots-Blues auf den Tubatrichter.

Zwischenzeitlich steuerten Hazmat Modine eine Version von Bahamut zu Wim Wenders‚ Tanzfilm Pina bei, gingen nahezu pausenlos auf Tour und dazwischen solistische Pfade oder einfach nur ihren Hauptberufen nach. Jetzt ist die neue da, heißt Cicada, nach einem wieder größtenteils gesprochenen Titelsong über die Befreiung aus dem Larvenstadium, und die Musiker entpuppen sich als dank zahlloser Auftritte gereift, souverän und deswegen auch verspielter.

Die Titel wurzeln im fetten amerikanischen Humus – der Work-Song Mocking Bird, der R’n’B-Kracher Two Forty Seven, der eine, andere und noch ein Blues –, aber sie blühen globalbunt. Das Kronos-Quartett, ein eher in der Hochkultur beheimatetes Streicherensemble, verkompliziert den rhythmischen Blues Dead Crow, die Gangbé Brass Band aus Benin bringt afrikanische Hitze in den Cotonou Stomp.

Child of a Blind Man leiht die mittlerweile viel zu wenig präsente Natalie Merchant (ehemals 10000 Maniacs) zurückhaltend ihre Stimme. Die Schriftstellerin Elizabeth Gilbert hat den bildsatten Text des Stückes verfasst, das laut Plattenfirma bei einer Session im indonesischen Regenwald keimte und auf vier Kontinenten reifte.

„Hazmat Modine“, lässt sich Schuman zitieren, „versucht zum Kern dessen zu gelangen, was die amerikanische Musik zum Funktionieren bringt, und die amerikanische Musik ist von der Einwanderungserfahrung durchdrungen.“ New York ganz besonders spiegele „den grundlegenden Einwanderer- und Mischlingscharakter der amerikanischen Kultur wider, die Schönheit und die Seele dessen, was es bedeuten kann, amerikanisch zu sein“. Hazmat Modine poltert und grollt, jodelt und rumpelt durch dieses Amerika, das die Welt ist.

„Cicada“ von Hazmat Modine ist erschienen bei Jaro Medien.

Vom 9. Juli an sind Hazmat Modine auf Tour in Deutschland und Österreich.