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Erfolg ohne Knarre an der Schläfe

Der Londoner Rapper Sway räumte schon vor der ersten Platte Preise ab. Seine Debüt-CD „This Is My Demo“ besticht durch das, was man im HipHop oft vermisst: Witz und Selbstironie.

Cover Sway

Nicht nur HipHop-Superstar 50 Cent war vergangenen Herbst verblüfft: Bei der Vergabe des britischen MOBO-Publikumspreises, der Auszeichnung für „Musik schwarzer Herkunft“ (Music of Black Origin), schnappte sich ein englischer Nobody den Titel „Bester HipHop-Künstler“.

Zu allem Überfluss machte Überraschungsgewinner Sway sich dann auch noch über das gerade bei amerikanischen Kollegen verbreitete Gangster-Gepose lustig: „Ich laufe nicht durch die Gegend und halte Leuten die Knarre an die Schläfe, also rappe ich auch nicht darüber, wie ich durch die Gegend laufe und Leuten die Knarre an die Schläfe halte“, sagt der 23-Jährige aus dem Nord-Londoner Stadtteil Hornsey. Sway, der mit bürgerlichem Namen Derek Safo heißt und dessen Eltern aus Ghana stammen, macht lieber Musik über sich und das Leben in London – Massaker sind da eher selten, im Gegensatz zu hoffnungslos überzogenen Kreditkarten.

Auf dem Weg zum Erfolg war Sway von Anfang an auf sich gestellt. Zwei kleine Alben veröffentlichte er, auf der Straße. Nachdem der schwarze BBC-Musiksender 1Xtra und Piratenstationen 2002 auf seine Songs stießen und begannen, sie zu spielen, produzierte Sway zwei Mix-CDs, This is My Promo, Volume 1 und 2, und verkaufte sie auf Konzerten und im Internet, vor Clubs und bei unabhängigen Plattenläden – angeblich über 10.000 Stück. Mit den Einnahmen finanzierte er dann Musikvideos, um bei MTV Base und anderen Fernsehsendern präsent zu sein.

Die Karriere Marke Eigenbau hat Sways Musik das Eigenwillige bewahrt. Die Debüt-CD This Is My Demo, wiederum ohne eine große Plattenfirma produziert, ist vor allem eines: Very British! Schon im Titelsong scherzt er über seine afrikanischen Wurzeln. Feine Selbstironie und Anspielungen auf das Alltagsgroßbritannien ziehen sich durch das ganze Album.

Er liefert locker seinen wortgewandten Hochgeschwindigkeitsrap, mixt ihn mit Reggae, Soul und Pop, ohne die Songs zu überladen. Die Rhythmen sind komplex, die Aussagen manchmal ungewöhnlich: In Hype Boys läster er über den im HipHop verbreiten Verbrecherkult („Everybody’s a bad boy now“), in Pretty Ugly Husband rappt er über häusliche Gewalt. In Download plädiert er gegen das kostenlose Herunterladen von Musik aus dem Internet, weil es nicht nur die großen, bösen Labels trifft, sondern auch unabhängige Rapper wie ihn.

Gegen Ende lässt die CD etwas nach, die Stücke werden etwas einförmig. Bis dahin rufen Mr. BritHop und seine speziellen Drehs weit mehr hervor als nur Tanzlaune.

„This Is My Demo“ von Sway ist als CD erschienen bei All City Music.

Hören Sie hier „Hype Boys“

 

Entführt auf einen funkelnden Planeten

Bisher war der Londoner Jazzpianist Andrew McCormack nur stiller Teilhaber der Erfolge anderer. Dank seines bemerkenswerten Debütalbums „Telescope“ wird sich das nun ändern

Cover McCormack

Das klassische Jazzpianotrio mit Kontrabass und Schlagzeug galt lange als ausgereizt. Lieber kauft man sich Platten der vielen Altmeister, als sich durch Neueinspielungen eines Nachwuchses zu hören, der oft nur manieriert an verstaubten Zitaten herumwerkelt.

Doch es gibt Ausnahmen. Zu den in London häufig erwähnten Lieferanten zukunftsweisender Jazzklänge zählt schon eine ganze Weile der Jazzpianist Andrew McCormack. Noch keine 20 Jahre alt, spielte er 1998 mit dem Saxofonisten Denys Baptiste dessen erste Platte Be Where You Are ein. Das Album wurde mit begehrten britischen Musikpreisen wie dem Mercury und dem Mobo überschüttet und machte Baptiste, den Mann mit dem kraftvollen Saxofonton und dem Pharaonenbart auf einen Schlag berühmt. Der jungenhaft wirkende McCormack begleitete uneitel und ideenreich und ließ fortan auch in anderen Formationen immer wieder seine technische wie musikalische Klasse aufblitzen.

Nun hat er mit Telescope sein Debütalbum vorgelegt. Begleitet von den vielbeschäftigten Talenten Tom Herbert am Kontrabass und Tom Skinner am Schlagzeug hat er das Genre nicht neu erfunden. Aber er zeigt, wie frisch und originell Jazz in dieser klassischen Besetzung klingen kann. Die CD besteht bis auf eine Ausnahme aus eigenen Kompositionen, nur das groovende Better Than People stammt aus der Feder von Kontrabassist Herbert. Schon das eingängige Titelstück schickt einen auf den funkelnden Planeten McCormack: elegant, mit Verve und Kraft geht es zur Sache, über einen funkigen Rhythmus breitet der Pianist seine rasanten Läufe aus.

Sein an Klangfarben reiches Spiel speist sich aus vielen Quellen der Jazztradition. Man hört den harten Anschlag und die schrägen Melodien eines Thelonius Monk heraus, die stimmungsvollen Klavierkaskaden eines Keith Jarrett, den Witz eines Vince Guaraldi (der vor allem als Charlie Brown-Soundtrackschreiber bekannt ist). Bei den ruhigen Stücken klingen selbst klassische Einflüsse wie Bach und Strawinsky durch. McCormack, der mit 14 Jahren verhältnismäßig spät zur Musik fand, studierte an der Londoner Guildhall School nicht nur Jazz, sondern auch Klassik.

Er formt daraus seinen Stil – eigen und urban, ohne völlig aus dem Rahmen zu fallen. Seine Spezialität sind gradlinige, eingängige Themen und überraschende, oft eng geführte Improvisationen. Telescope swingt vom ersten bis zum letzten Ton, ob das Trio rhythmisch anspruchsvolle Tempostücke spielt oder sich McCormack mit viel Gefühl und ohne Sentimentalität durch unbegleitete Balladen tastet.

Es seien „aufregende Zeiten für Jazzmusiker in London“, sagte er kürzlich in einem Interview, es gebe einen „Sinn für Abenteuer“. Danach klingt Telescope. Es ist ein erster Schritt, ein vielversprechendes Statement. Man darf gespannt sein, wohin es McCormack noch führt.

„Telescope“ von Andrew McCormack ist als CD erschienen bei Dune.

Hören Sie hier „Telescope“