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Alle Kraft den Visionen

 

Barack Obama will die Ende des Jahres auslaufenden Steuererleichterungen fortführen. Aber nur für die Mittelklasse, also nur für Amerikaner, die nicht mehr als 250.000 Dollar im Jahr verdienen. Die Steuererleichterungen für Reiche, die weiland der republikanische Präsident George W. Bush gleich mit durchsetzte, sollen gestrichen werden.

Das hat der Präsident am Montag verkündet und den Kongress aufgefordert, ihm möglichst sofort ein dementsprechendes Gesetz zur Unterzeichnung vorzulegen.

Daraus wird wohl nichts werden. Die Republikaner haben bereits gesagt: Entweder profitieren alle oder keiner. Und Obama hat bereits geantwortet: Er werde kein Gesetz unterschreiben, das auch fürderhin Millionäre und Milliardäre begünstige.

Populäres Thema für den Wahlkampf

Es war von vornherein klar, dass aus Obamas schönem Plan nichts wird. Schon in den vergangenen Jahren scheiterte er immer wieder damit. Selbst in seiner eigenen Partei waren längst nicht alle für die Trennung zwischen Reichen und Normalverdienern. Jetzt droht dem Plan erst recht das Aus. Denn schließlich ist Wahlkampf, und die Republikaner gönnen Obama keinen Erfolg.

Aber gerade weil Wahlkampf ist, musste das Thema jetzt auf den Tisch. Denn der Demokrat Obama, dessen Wiederwahl angesichts hoher Arbeitslosigkeit und lahmender Wirtschaft aufs Äußerste gefährdet ist, braucht dringend ein populäres Thema. Und eine Fortsetzung der Steuererleichterungen für Amerikas Mittelklasse ist populär. Außerdem markiert sie den Unterschied zum republikanischen Gegner.

Vor vier Jahren bewarb sich Obama mit dem Wahlkampfmotto „Hoffnung und Wandel“. Gezielt betonte er damals das Verbindende zwischen den Parteien und ihren Wählern und versprach, zu versöhnen und Brücken zwischen Demokraten und Republikanern zu bauen.

Staat als Motor des Wandels

Diesmal hingegen setzt er bewusst auf die Unterschiede. Obama sucht nicht nach dem Gemeinsamen, sondern nach dem Trennenden und streicht es heraus. Er stellt seine Vision gegen die seines Herausforderers Mitt Romney.

In Obamas Amerika ist der Staat zumindest für eine Übergangszeit Motor des Wandels und zugleich unabdingbare Voraussetzung, um etwa die veraltete Infrastruktur und das marode öffentliche Bildungssystem zu erneuern. Dazu braucht Obama Geld und will darum unter anderem die Reichen stärker zur Kasse bitten.

Laut Umfragen wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Mehrheit der Amerikaner sind mit der Wirtschaft und Obamas Amtsführung unzufrieden. Verständlicherweise möchte der Präsident darum keinen Wahlkampf über Arbeitslosenzahlen und leere Auftragsbücher, also über die wenig schmeichelhafte Gegenwart. Sondern lieber über die Zukunft und über unterschiedliche gesellschaftliche Visionen.