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Außenpolitik-Debatte ist die große Chance für Romney

 

Die wenigsten Amerikaner machen ihre Wahlentscheidung maßgeblich von außenpolitischen Themen abhängig. Das hat selbst angesichts großer Krisen und Kriege für viele Menschen immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Bei dieser Wahl, die so sehr um Wirtschaft und Jobs kreist, wird das nicht anders sein.

Die dritte der Fernsehdebatten zwischen Präsident Barack Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney in der Nacht auf Dienstag sollte man deshalb keineswegs unterschätzen. Mehr noch: Zwar ist es dem Republikaner bislang schwergefallen, auf diesem Feld wirklich zu punkten, doch Obama ist angreifbar – ja, Romney kann ihn schlagen.

Der Druck ist hoch. Schon weil es die letzte Debatte in diesem Wahlkampf ist, wird sie besondere Aufmerksamkeit erfahren und einen viel stärkeren Eindruck hinterlassen. Zumal es nach den ersten beiden Runden gewissermaßen unentschieden steht, eher sogar der Herausforderer im Vorteil ist: Den Auftakt verschenkte Obama, weil er sich wenig schlagfertig und überzeugend durch das Duell grummelte; im Rückspiel fand Romney kein Mittel gegen einen wieder gut vorbereiteten und aggressiveren Präsidenten.

Obama schien unangreifbar

Wenn also auch inhaltlich die Außenpolitik nur nebensächlich scheint in dieser Wahl: Die Frage, wer hier eine bessere Figur macht und die Amerikaner eher überzeugen kann, die nötige Führungsstärke zu besitzen, ist wichtig. Vielleicht entscheidet sie sogar diese Wahl und gibt dem republikanischen Herausforderer den nötigen letzten Schub, sich in den Umfragen vom Präsidenten abzusetzen, die derzeit eine äußerst enge Abstimmung voraussagen.

Wer hätte noch vor einigen Wochen gedacht, Romney könnte Obama auf diesem Feld überhaupt annähernd gefährlich werden? Der Präsident schien nahezu unangreifbar: Eine der größten Konstanten im Wahlkampf war die breite Zustimmung, die er in außenpolitischen Fragen genoss, speziell beim Umgang mit dem Terrorismus.

Natürlich ist der Amtsinhaber dabei immer leicht im Vorteil, er kann seine Erfahrung ausspielen, hat schlicht einen Informationsvorsprung. Auf der anderen Seite steht der Ex-Gouverneur, der in der internationalen Politik naturgemäß weit weniger sicher ist und ein ums andere Mal die falschen Worte fand. Dem es schwerfallen muss, die stärksten Argumente Obamas zu entkräften: Der Irak-Krieg ist beendet, Afghanistan soll folgen, Al-Kaida ist auf dem Rückzug – und Osama bin Laden ist tot.

Ist der Präsident zu schwach?

Doch das ist nur die eine Seite. Wenn es an diesem Montagabend in Florida um Außenpolitik geht, dann ist Obama in der Defensive. Die arabische Welt kommt nicht zur Ruhe, und die Angriffe auf amerikanische Botschaften in Libyen und Ägypten haben Zweifel an Obamas Führungsstärke aufkommen lassen. Zumindest zieht Romney diesen Schluss.

Er wirft dem Präsidenten auch vor, nicht genug getan zu haben, um Israel zu unterstützen, die Bedrohung einer iranischen Atombombe abzuwehren, überhaupt zu schwach gegen die Feinde Amerikas zu sein. Im Nahen Osten habe sich Obama einfach zu passiv verhalten. Auf den Aufstieg Chinas zur Weltmacht habe er keine Antwort gefunden.

Was Romney als Alternative dazu vorgebracht hat, beschränkt sich weitgehend auf eine aggressive Rhetorik. Amerika soll wieder die stärkste Macht der Welt werden, und das Säbelrasseln scheint nach einer aktuellen Pew-Umfrage auch den Nerv der Wähler zu treffen. Doch wenn er wirklich einen anderen Weg als Obama einschlagen will, wird er konkret beantworten müssen, wie er mit dem aufstrebenden Islamismus in der arabischen Welt umgehen, welche Strategie er in Afghanistan und Pakistan verfolgen will, was er in Syrien anders machen würde als der Präsident.

Romney muss mehr bieten als Kritik am Tagesgeschäft

Vor allem das Attentat auf den amerikanischen Botschafter in Libyen als Kern der Kritik an Obamas Außenpolitik heranzuziehen, dürfte für Romney jedenfalls keine vielversprechende Taktik für die Debatte sein. Dabei dreht sich alles um den Vorwurf, die Regierung habe gewusst, es sei ein Terrorangriff gewesen, aber zu lange an der Darstellung der Gewalt als Reaktion auf ein Anti-Islam-Video festgehalten. Dokumente legen allerdings inzwischen den Schluss nahe, dass für den Präsidenten durchaus vieles darauf hindeutete und er auf dieser Grundlage handelte.

Was den Iran angeht, deuten sich direkte Gespräche mit den Vereinigten Staaten über das Atomprogramm des Landes an. Obama dürfte dies als Erfolg verkaufen, Romney wird es als Verzögerungstaktik Teherans darstellen und eine härtere Gangart einfordern. Wem diese Entwicklung nutzt, ist jedenfalls noch nicht abzusehen.

Ähnlich sieht es mit China aus: Romney will sich gern als der kompromisslose Kämpfer für amerikanische Handelsinteressen präsentieren, um den Fokus wieder auf die Wirtschaft zu ziehen; damit begibt er sich aber in Gefahr, einmal mehr für seine Verwicklung in Outsourcing-Aktivitäten während seiner Zeit als Finanzinvestor angegriffen zu werden.

Dem Republikaner fehlt das Profil

Das alles bedeutet: Romney hat in dieser Debatte eine echte Chance, Obama in Bedrängnis zu bringen – wenn er es richtig anpackt. Das allerdings wäre eine echte Überraschung. Selbst konservative Beobachter halten an der Einschätzung fest, für jemanden, der seit 2006 Präsident der USA werden will, habe der Republikaner sich bemerkenswert wenig auf dem Feld der Außenpolitik profilieren können. Vor allem habe er es nicht geschafft, sich gerade hier bewusst von George W. Bush abzusetzen – vielleicht, weil er mit ihm mehr gemeinsam hat, als ihn von ihm trennt.