Im US-Bundesstaat Virginia zeigen sich die USA im Kleinen: demografischer Wandel, wirtschaftliche Entwicklung, Wahlverhalten – Virginia ist ein Mikrokosmos, der widerspiegelt, was die USA spaltet, was sie zusammenhält. Unser Reporter Carsten Luther war in Richmond, Virginia, unterwegs.
Ein Besuch der Virginia State Fair gehört für viele Familien aus der Region rund um Richmond zur Tradition. Volksfest, Landwirtschaftsausstellung, Konzerte – das zieht Massen auf das weitläufige Gelände nahe dem kleinen Ort Doswell. Man trifft einfache Leute dort, vor allem Menschen vom Land und aus den umliegenden Kleinstädten, die deutlich konservativer denken als viele der Einwohner aus der Hauptstadt des US-Bundesstaates. Welcher der beiden Präsidentschaftskandidaten hier die meisten Unterstützer findet, lässt sich schon auf dem Weg von den Parkplätzen zum Eingang erahnen: Beinahe jeder dritte Besucher, der einem entgegenkommt, trägt eines der typischen Vorgarten-Schilder unter dem Arm oder einen Aufkleber auf der Brust. Obama? Fehlanzeige. Das hier ist Romney-Territorium.
Zwischen Zuckerwatte, Bier und frittiertem Junk Food am Stil ist man ansonsten kurz angebunden und mag sich den Familienausflug nicht mit Gerede über Politik verderben lassen. „Proud Republican“, ist die zweithäufigste Antwort auf die Frage nach der politischen Einstellung, gleich nach „Not interested“. Die wenigsten wollen ihre Entscheidung begründen, und wenn, dann geht es um die Wirtschaft, um Jobs. Oder schlicht gegen Obama: „Er ist gefährlich“, sagen viele. Man gewinnt den Eindruck, dass Eomtionen eine größere Rolle spielen als Inhalte.
Einige werden dann doch konkret: „Vor vier Jahren ging es uns besser“, sagt etwa Stacy Jernigan aus Carson. Als Gebrauchtwagenhändlerin habe sie das ganz einfach beobachten können: „Viele Leute haben ihre Jobs verloren und waren gezwungen, ihre Autos zu verkaufen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können – es wurden immer mehr.“ Schon früher hat die 47-Jährige Mutter von zwei Kindern für die Republikaner gestimmt, auch 2008. Trotzdem hoffte sie auf die Veränderungen, die Barack Obama als Präsident versprach. „But change hasn’t come“, sagt sie – es hat sich nichts verändert.
Gary Striever weiß, was es heißt, seinen Job zu verlieren. In der Werbebranche bekam auch er zu spüren, dass es mit der Wirtschaft bergab ging. Inzwischen hat er wieder Arbeit, doch mehrere Jahre lang hielt er sich mit einfachen Tätigkeiten über Wasser, als Antreicher, als Bote, was immer er tun konnte. „Ich wollte keine Hilfe vom Staat. Natürlich hätte ich einfach zu Hause sitzen und von der Arbeitslosenunterstützung leben können wie so viele andere“, sagt der 54-Jährige. Und das ist es auch, was seinen Blick auf diese Wahl ausmacht: „Ich will nicht, dass Menschen abhängig sind vom Staat. Es ist nicht gut, wenn man nicht gezwungen ist, selbst etwas zu tun.“ Ja, es müsse ein soziales Netz geben, das die Leute auffange. „Aber Obama hat all diese Ansprüche, die der Staat nun erfüllen muss, doch vor allem so aufgeblasen, um seine Wählerbasis zu verbreitern: Wer davon profitiert, wählt die Demokraten – so einfach ist das.“ Jernigan sieht das ähnlich: „Es gibt zu viele Leute, die gar nicht arbeiten wollen, und der Staat macht es ihnen leicht.“
Striever glaubt außerdem, die Demokraten lägen falsch mit der Idee, die Reichen stärker zu besteuern. „Niemand sollte dafür bestraft werden, dass er erfolgreich ist, wo ist sonst der Anreiz, wenn ich mehr abgeben muss, je mehr ich verdiene?“ Wenn sich die Anstrengung wieder lohne, werde auch die Wirtschaft aufholen. Auch den Unternehmen solle der Staat nicht so viel dazwischenfunken. „Romney versteht das, er ist der Richtige dafür, weil er ein Geschäftsmann ist“, sagt Striever. Am Ende werde eine gerechte Besteuerung den Staat sogar entlasten: „Den Armen zu helfen, sehe ich eher als eine Aufgabe, die Wohlfahrtsorganisationen übernehmen sollten – und wenn die Menschen mehr in der Tasche haben, können sie auch mehr für den guten Zweck spenden.“