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Fundraising-Video kann auch eine Chance für Romney sein

Mitt Romney, der für eine Runde potenzieller Großspender einen unverstellten Einblick in seine Weltsicht und Strategie gibt – mit der Veröffentlichung des heimlich mitgeschnittenen Videos hat das US-Magazin Mother Jones einen gewaltigen Erfolg erzielt. Und die Debatte über die Grenzen des Sozialstaats ins Zentrum des Wahlkampfs gerückt. Mitherausgeberin Monika Bäuerlein glaubt jedoch nicht, dass für die Republikaner nun alles vorbei ist.

ZEIT ONLINE: Was ist ihre Lieblingsstelle aus dem Video?

Monika Bäuerlein: Schwer zu sagen. Obwohl wir es jetzt schon ziemlich genau durchgegangen sind, finden wir immer noch interessante Stellen. Aber ich würde schon sagen, die wichtigste Stelle ist die über die 47 Prozent der Amerikaner, die von Sozialleistungen abhängen. Das ist einfach das, was mit den Sorgen der Wähler ziemlich genau übereinstimmt. Dass dieser Kandidat einfach keinen Begriff davon hat, wie es den meisten Menschen geht.

ZEIT ONLINE: Ist Romneys Kampagne damit am Ende?

Bäuerlein: Dafür ist es zu früh. Das sieht man ja im amerikanischen Wahlkampf jedes Mal. Die Kampagnen sind immer mindestens 20-mal tot und wieder lebendig, bevor es wirklich ernst wird.

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Romney hat die Wahl schon verloren

Es hätte schlimmer kommen können. Denn es ging um Politik, als Mitt Romney am 17. Mai in der Villa des illustren Finanzinvestors Marc Leder in Boca Raton den zahlungskräftigen Gästen das Geld aus der Tasche reden wollte und ihnen erklärte, wie er die Wahl gegen Barack Obama im November gewinnen könne. Das ist nicht immer so, wenn Leder einlädt: Im Pool vergnügt man sich gelegentlich auch ohne Badetextilien, kaum verhüllte russische Tänzerinnen zucken zu stampfenden Technobeats, die moralischen Hemmungen fallen. Aber der republikanische Präsidentschaftskandidat und seine reichen Spender behielten Jackett und Krawatte an – zumindest auf dem Video, das nach der Veröffentlichung durch das Magazin Mother Jones die US-Schlagzeilen im Wahlkampf bestimmt.

Andererseits: Die Wirkung des heimlichen Mitschnitts dieses Fundraising-Dinners ist auch ohne lüsternes Partytreiben verheerend genug. Entkleidet von den Sprachhülsen der öffentlichen Auftritte steht der Kandidat gleichsam nackt da – ein politischer Striptease, der den Höhepunkt einer Reihe schwerer Rückschläge für die Romney-Kampagne markiert. Man ist versucht, sich amerikanischen Kollegen anzuschließen in ihrem Urteil „Heute hat Romney die Wahl verloren„. Das wäre voreilig. Ja, Romney hat seine Chancen verspielt – aber nicht an diesem Tag.

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Verzerrte Wahrnehmung

Die Lage der Wirtschaft könnte die Wahl in den USA entscheiden. Das hoffen die Republikaner. Und das fürchten die Demokraten. Nur so kann man wohl erklären, das beide Seiten offenbar eine völlig unterschiedliche Sicht auf die Dinge haben, wenn man sie dazu befragt.

Laut einer neuen Umfrage des Pew Research Center sagen 60 Prozent der Republikaner, dass sie vor allem schlechte Nachrichten zur wirtschaftlichen Lage des Landes hören. Bei den Demokraten sind es nur 15 Prozent. Zur Entwicklung des Arbeitsmarktes gehen die Einschätzungen ebenfalls deutlich auseinander: 75 Prozent der Republikaner geben an, diesbezüglich vor allem schlechte Nachrichten zu hören, 34 Prozent sind es bei den Republikanern.

Wenn es allerdings um die Benzinpreise geht, nähern sich beide Seiten wieder an. Bei den Republikanern hören 89 Prozent vor allem schlechte Nachrichten, bei den Demokraten sind es 65 Prozent.