Der Wahlkampf läuft im Internet bereits auf Hochtouren – ob auf den einzelnen Kandidaten- oder Parteiseiten, überall wird auf die kommenden Wahlen hingewiesen: bunt, frech, chic, kommunikativ. Ein neuer Schwerpunkt liegt dieses Mal sicherlich auf der Nutzung der sozialen Netzwerke wie Facebook oder MySpace. Seit heute finden wir die im Bundestag vertretenen Parteien nun auch auf studiVZ, der Internetplattform für Studenten und Schulabgänger – Erstwähler eben. Laut Angaben der Betreiber tummeln sich in den Netzwerken studiVZ, schülerVZ und meinVZ über 10 Millionen Wahlberechtigte, davon 70 Prozent aller Erst- und Jungwähler.
Und hier gilt es genau hinzuschauen: Das Internet wird nicht als „bloßes“ Kommunikationsmedium betrieben, über das billig und schnell Informationen übermittelt werden können. Das Internet ist Organisationsmedium. Parteien speisen ihre Themen und Botschaften in die sozialen Netzwerke ein. Hierdurch entsteht eine persönliche und direkte Wähleransprache. Und schon die klassischen amerikanischen Wahlstudien aus den 40er Jahren zeigen uns: Unentschlossene Wähler sind im persönlichen Gespräch am ehesten zu überzeugen. Neuere Erkenntnisse bestätigen dies. Wem es also gelingt, mit positivem Touch in den Alltag der Menschen vorzudringen, der ist schon fast am Ziel. Nun ersetzen das Internet bzw. soziale Netzwerke wie Facebook und MySpace nicht die politische Diskussion abends bei Bier oder Wein, aber sie ermöglichen die flächendeckende Organisation der direkten Wähleransprache. Dass diese Art der Kontaktpflege funktioniert, zeigen Untersuchungen zur Verweildauer im Internet und in sozialen Netzwerken. Weltweit steigt die Dauer des Aufenthalts in solchen Netzwerken weit überdurchschnittlich stark an:
Anstieg der Verweildauer im Internet und auf Facebook
Quelle: Fotostrecke zur Nielsen-Studie „Global Faces and Networked Places“ auf SPIEGEL ONLINE
Die Nutzer sehen im sozialen Netzwerk die Kommentare und Antworten von Mitgliedern ihrer Gruppen, aus ihrer community, zu bestimmten Politikern. Und das animiert bzw. überzeugt. In der politischen Soziologie wird in diesem Zusammenhang der Begriff Sozialkapital verwandt, das bestenfalls auch in langfristiges soziales Vertrauen mündet. Wenn ich einen Facebook-Eintrag von Kajo Wasserhövel oder Angela Merkel mit „Daumen hoch – gefällt mir“ kommentiere, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Freunde aus meinem Netzwerk, die vorher keine klare Meinung über diese Politiker hatten, sich meiner Meinung anschließen.
Aber: Irgendwann muss auch mal der Sprung von der online-Plattform ins reale Leben stattfinden. Die Wähler müssen die virtuell vermittelten Botschaften verinnerlichen und sich an sie erinnern, wenn sie in der Wahlkabine stehen. Denn bisher gilt immer noch: Nur dort kann gewählt werden.