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Was mein Leben reicher macht

Wie ein Freund von mir seine Funktion als Patenonkel und großer Cousin beschreibt: »Klettergerüst, weiser Mann, Erdbebenmaschine und Vorleser in einem!«

Annika Bierbrauer, Stuttgart

 

Fußballzeit

(Nach Joseph von Eichendorff, »Weihnachten«)

Markt und Straßen sind verlassen.
Glotze läuft in jedem Haus.
Drinnen sind die Menschenmassen:
Das sieht ganz nach Fußball aus.

An den Fenstern hocken Frauen,
Starren in die leere Welt,
Während Kids verwundert schauen:
Gassen jetzt als Tummelfeld?

Championships in der Ukraine:
Fast vier Wochen Kicker-Fest!
Timoschenko, oh, du Feine –
Ob es dich vergessen lässt?

Doch gespielt wird auch in Polen:
Danzig deutschen Teams Quartier.
Ruh und Kraft will man hier holen;
Mancher muss auch zum Barbier.

Miro Klose, Luk Podolski
Fühl’n sich wie zu Hause nun,
Sprechen einmal wieder Polski,
Wenn sie aus den Fußballschuh’n.

Deren Stollen, kleine Hacker,
Pflügen tief den Strafraum um;
Drum heißt der jetzt »Mertesacker«:
Wiese nimmt es ihm nicht krumm.

Bälle hoch – als echte Kerze –
Schlägt bisweilen Philipp Lahm;
Neuer schreit: »Lass diese Scherze!«
Da wird selbst Mats Hummels zahm.

Portugal und Niederlande
Und dazu noch Dänemark –
Wie kommt Deutschland da zurande?
Sind mitnichten weich wie Quark!

Spanien, England, Frankreich, Schweden,
Polen und Italien
Machen auch wohl von sich reden,
Träumen von Pokalien.

Und ich? Wand’re aus den Mauern!
You will know, what I am doing –
Will zu Hause nicht versauern,
eile flugs zum Public Viewing!

Norbert Wolf, Liederbach am Taunus, Hessen

 

Was auch gesagt werden muss

(Nach Günther Grass »Was gesagt werden muss«)

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Gedanken anderer
schon längst gedacht wurde,
an deren Ende die folgenden Zeilen stehen.

Es ist das behauptete, von Medien kreierte Politikum,
dessen Autor ein Nobelpreisträger ist,
der seine Meinung zu einem politischen Konflikt
äußert zwischen Israel und Iran.

Warum soll diese Meinung uns wichtig sein?
Ist dieser Mann ein Experte des Nahen Ostens?
Ein Politiker, der eine wichtige Entscheidung treffen
oder beeinflussen wird? Was ist an einer Meinung
Skandalöses, die nichts Neues als alte Kamellen
hervorbringt?

Doch warum untersage ich mir,
jenen Autor beim Namen zu nennen,
der seit Jahren – wenn auch abseits von der
großen Öffentlichkeit – einen wachsenden
Literaturberg erschafft, welcher nicht
für außenpolitische Fachexzellenz bekannt ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Feigheit,
die zwar keine Strafe in Aussicht stellt;
das Verdikt »niveauloser Parodist« ist geläufig.

Jetzt aber zum Wesentlichen:
Warum nennt man einen Text ein »Gedicht«,
der sich nicht reimt, der der Poetizität entbehrt,
der nicht einmal äußerlich einer Form unterworfen ist,
sondern lediglich Zeilenumbrüche aufweist?
Warum sprechen die Medien über
die Empörung, kaum über den Inhalt?
Wäre eine Analyse nicht hilfreicher
als boshafte Unterstellungen?

Warum sind wir als Überlebende bloß Fußnoten?
Eine gelungene Metapher ist es nicht,
weil sie nichts Konkretes veranschaulicht.
Seit wann will Israel das iranische
Volk auslöschen? Ein Genozid durch Israel? Dies
erscheint mehr als absurd.

Warum der Autor sich etwas untersagt,
was in Deutschland viele andere schon tun,
nämlich Israel zu kritisieren, ist unverständlich. Die
antisemitische Moralkeule hält man als Bildungsbürger
aus. Auch keine Enthüllung ist, dass Deutschland
als Alliierter Israels dorthin Waffen liefert. Warum also
die plötzliche Aufregung?
Das Deutschsein als Schweigegrund
zu nehmen über 60 Jahre nach dem Krieg, ist unbegründet.
Die Tatsache, dass man durch Waffenlieferungen an andere
Länder Mitschuld trägt an den von diesen Waffen begangenen
Verbrechen, ist auch nicht neu.

Schweigen zu diesem Konflikt tut jetzt
kaum jemand. Die Diplomatie bemüht sich seit je um eine
friedliche Lösung,
insbesondere die mächtige amerikanische.

Was also bringt dieses Gedicht
Neues?
Ekelhaftes?
Verräterisches?
Nichts.

Stattdessen: Ein Einreiseverbot für diesen Literaturnobelpreis­träger.
Was für eine Fehlreaktion.

Wladislaw Jachtchenko, München