Schäfer Theo, der mir zu jeder Tageszeit geduldig erklärt, wo ich seine 700 Tiere finde, und mich wenn nötig per Telefon durch Wiesen, Felder und Wälder lotst. Und die Schafe selbst, deren Geblöke eine wunderbare Ruhe in mir erzeugt.
Mein Freund, der mich auf der Fahrt nach Frankreich im Auto meine Lieblingsplatte in Endlosschleife hören lässt – obwohl sie ihm selbst zu melancholisch ist.
Lasst mich meine Schwermut behalten! Diesen durch Melancholie, Schmerz, Trauer oder Nachdenklichkeit geprägten Zustand, in den ich – ohne äußeren Anlass und nicht ungern – ab und zu falle. Depression? Nein, nur ein bisschen schwermütig. Manchmal.
Wenn ich morgens mit dem Fahrrad den Berg hinunterrolle, den Wind auf der Haut spüre, die Arme wie Flügel ausbreite und merke, dass es auch seine guten Seiten hat, keinen Führerschein zu besitzen.
Meine Mutter, die mit Nachsicht auf meine Beichte reagierte, mit ihrem Auto beim Ausparken aus der Garage – und das nicht zum ersten Mal – die Seitenwand gerammt zu haben. DANKE, Mama!
Im IC von Stuttgart nach Nürnberg komme ich nicht umhin, dem Gespräch meiner Sitznachbarn aus der schwäbischen Provinz zu lauschen. Beim obligatorischen Schimpfen über die Politik fällt der Satz: »Das ist doch alles Kokolores!« Ich glaube, das letzte Mal habe ich »Kokolores« im Kindergarten gehört. Lange ist’s her!
Alexander Messmer, Steinenbronn, Baden-Württemberg
Unten schaut mein Mann im Wohnzimmer mit den Nachbarn das Finale, ich liege oben im Bett – mit fieser Sommergrippe. Übelkeit, heftige Kopf- und Gliederschmerzen und Schüttelfrost machen mir das Schlafen unmöglich. Auch das Schäfchenzählen hilft nichts. Ich beginne darum, das Finalspiel in Gedanken zu kommentieren. Und da mir die vielen Namen der deutschen WM-Elf nicht alle einfallen, behelfe ich mir eben mit anderen: Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler und Fritz Walter spielen an der Seite von Matts Hummels und Thomas Müller. Mir hilft es durch eine scheußliche Nacht. Und waren die alten Herren dank meiner Anrufung am Traumsieg unserer Jungs beteiligt? Ich glaube fest daran!
Im Nachlass meiner Großmutter fand ich ein beidseitig beschriftetes Stück Birkenrinde, das mein Großvater von der russischen Front im Herbst 1915 an seine Frau und seine siebenjährige Tochter schickte. Meine Großmutter war zu diesem Zeitpunkt wieder schwanger. Erst 1918 erfuhr sie, dass ihr Mann im März 1916 (also fast zeitgleich mit der Geburt seines Sohnes) in russischer Kriegsgefangenschaft an Flecktyphus gestorben war. Als junge Witwe sorgte sie fortan unter schwierigen Verhältnissen alleine für die beiden Kinder, denn nach dem frühen Tod ihres geliebten Mannes hat sie nie mehr geheiratet.
Dies ist mein Beitrag zu »100 Jahre Erster Weltkrieg«.
Aus dem Weh, das ich erleide, wächst der Mut, doch das Wort Wehmut scheint vergessen. Oft schon las ich in der Literatur und zuletzt auch in einem Kommentar zum Tatort: »nur ein Wermutstropfen trübte …« Sind wir denn Wermutbrüder und -schwestern, oder tropft da vielleicht auch ein wenig Wehmut?