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Pinkele und Söfele: Mein Wort-Schatz

Mein Wort ist eigentlich die Schöpfung meines Bruders. Es ging um die Dinge, mit denen Frauen – in diesem Fall meine Mutter und ich – die Wohnräume verzieren: Kerzen, Vasen, Engelchen, Windlichter und dergleichen. Er war ungefähr zehn Jahre, ich zwei Jahre älter und sehr bemüht, mein eigenes Reich zu gestalten.

Die Vielfalt auf Regalen, Tischen und Fensterbänken veranlasste ihn zu dem Ausruf: »Ihr mit euren Pinkele und Söfele!« Das Wort »Krimskrams« kannte er wohl noch nicht, und ich finde seine Kreation auch unbedingt lautmalerischer. Sie hat inzwischen einen festen Platz in unserer Familiensprache.

Beate Walter, Bühl, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Ächzend trete ich in die Pedale, die Bergaufstrecke auf dem Weg zur Arbeit ist lang und anstrengend. Da kommt mir eine Radlerin entgegen: fliegende Haare, breites Grinsen. Ich freue mich schon auf den Heimweg!

Anke Bruns, Göttingen

 

Das Fleißkärtchen

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Dieses Fleißkärtchen habe ich in einem alten Gebetbuch wiedergefunden. Es galt meinem Großvater, Ernst Hensler, und wurde 1889 von seinem lehrer Johann Fehrle an der Dorfschule in Rötenbach im Schwarzwald ausgestellt. Wie aus der alten Dorfchronik hervorgeht, unterrichtete dieser Lehrer damals – ganz alleine – 52 Schüler der Klasse 1 (entspricht heute der Jahrgangsstufe 1 bis 3) und 40 Schüler der Klasse 2 (heute 4 bis 8). Mein Großvater wurde 1883 geboren, war also sechs Jahre alt, als er die Auszeichnung bekam. Da mein Vater – sein Sohn – durch Krieg und Gefangenschaft lange abwesend war, wurde Opa Ernst für mich (Jahrgang 1940) zum innig geliebten Ersatzvater, als ich selbst in diesem Alter war.

Ferdinand Hensler, Verl

 

Was mein Leben reicher macht

Nach einer Krebsoperation darf ich am Wochenende das Krankenhaus für einige Stunden verlassen. Mein Mann holt mich ab. Zu Hause erwarten uns unsere vier Kinder, die von überall her angereist – und wie mein Mann – total übernächtigt sind. ihren Blicken folgend, sehe ich im Eingang eine Art Mobile, aus 1.000 (!) selbst gefalteten Papierkranichen. Die Familie hat bis vier uhr morgens gebastelt, um mir, entsprechend einer japanischen legende, einen Genesungswunsch bei den Göttern zu ermöglichen.

Friederike Dechamps, Aachen

 

Kuddlmuddl: Mein Wort-Schatz

Aus meiner schwäbischen Kindheit kenne ich das Wort Kuddlmuddl. Wahrscheinlich gibt es Bedeutungsnuancen zum hochdeutschen Durcheinander, Wirrwarr und Chaos. Oder vielleicht doch nicht?

Gerhard Evers, Göppingen

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Trupp Bauarbeiter arbeitet bei brütender Hitze in meiner Straße. Darunter ein gut aussehender, offenbar italienischstämmiger junger Mann. Trotz der schweren Arbeit verbreitet er, »o sole mio« singend gute Laune. Da kommt eine Gruppe etwa zwölfjähriger Schülerinnen vorbei. Sie unterhalten sich lautstark über ihre grenzdebilen, doofen lehrer und stolzieren in Richtung Gymnasium davon. »Aber Bambini, so wunderschöne junge Damen nehmen doch nicht solche Wörter in den Mund«, sagt der Bauarbeiter und werkelt singend weiter. Für einen ganz kurzen Moment sind die Teenies sprachlos.

Eva schöberl, Stuttgart

 

Was mein Leben reicher macht

Die dicke, süße, saftige Honigmelone, die mir ein spanischer Lkw-Fahrer geschenkt hat zum Dank für meinen Dienst als analoges Navi (Wegbeschreibung durch Dortmund auf Spanisch). Schwer war nur der Transport der Frucht auf dem Rennrad bis nach Hause!

Simone Asúa-Honert, Schwerte

 

Mikrokosmos

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Diese Merkwürdigkeit entdeckte ich im ostwestfälischen Städtchen Bad Lippspringe, wo man sich offensichtlich ein wenig schwertut mit der Orientierung im Kosmos. Und nicht nur dort. Unweit des Schildes entspringt auch noch ein Flüsschen, das tatsächlich »Jordan« heißt …

Mirko Kolodziej, Hoyerswerda

 

Der Jaguar

(nach Rainer Maria Rilke »Der Panther«)

Er kann jetzt raus;
statt Stäben sieht er Gitter;
kann, wann er will, ins Haus,
– vor allem bei Gewitter.

Doch ist es wie bei Rilke:
gefangen sein ist schwer;
nur wenn die kleine Silke
ihm winkt, schaut er mal her;

und fällt dann sogleich wieder
in seinen stumpfen Trott;
– doch wär’n die edlen Glieder
nur frei – dann b’hüt’ di’ Gott!

Lorenz L. Göser, Kressbronn