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Was mein Leben reicher macht

Morgens mit meinem kleinen Sohn (drei Monate alt) im Wald spazieren zu gehen und zu sehen, wie sich die bunten Blätter und die Wolken in seinen Augen spiegeln. Irgendwann schläft er ein – erfüllt von Eindrücken.

Tonia Iblher, Lübeck

 

Am Stehtisch

(Nach Heinrich Heine, »Am Teetisch«)

Sie standen und rauchten am Stehtisch
Und qualmten entsetzlich viel.
Die Herren, sämtlich unathletisch,
die Damen fast ganz ohne Stil.

»Der Rauch muss sein harmonisch«,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin hustete komisch
Und stürzte nach vorn, völlig schwach.

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Der Qualm mache richtig froh,
Doch schade er der Gesundheit.
Das Fräulein röchelt: »Wieso?«

Die Gräfin spricht wehmütig:
»Das Rauchen ist eine Passion!«
Und präsentieret schmerzlich
Am Kehlkopf ihr Mikrofon.

Am Tisch war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest, wärst du nicht verstorben
Vom Lungenkrebs uns was erzählt.

Danny Morgenstern, Braunschweig

 

Was mein Leben reicher macht

Bei der Eröffnung des Berliner Kammermusiksaales im Herbst 1987 stand ich mit einem jungen Mann in der Kassenschlange. Wir unterhielten uns, während wir auf unsere Tickets warteten, und irgendwie kamen wir auf das Brandenburger Örtchen Teltow und Teltower Rübchen zu sprechen – die ich gar nicht kannte. Ich erntete ein entgeistertes Gesicht: Dieses zarte Herbstgemüse, eine Delikatesse, die schon Goethe zu schätzen wusste…? Der junge Mann lud mich zum gemeinsamen Rübchen-Kochen ein, und seither treffen wir uns jedes Jahr!

Elisabeth Haaß, Berlin

 

Kuddelmuddel: Mein Wort-Schatz

Jedes kleinste Durcheinander ist heute gleich ein »Chaos« oder gar ein »absolutes Chaos«. Wie viel schöner ist da doch das Wort Kuddelmuddel für die kleinen Wirrnisse des Alltags! Es klingt nach einer leichter behebbaren, harmloseren und kleinräumigeren Unordnung als das bedrohliche »Chaos«. Das Wort »Chaos« hat nur einen Vorteil: Es lässt sich ohne Probleme zum Adjektiv machen (»chaotisch«). Selten hat man noch von »kuddelmuddeligen Zuständen« gehört.

Yvonne Treis, Paris

 

Das ist mein Ding

Meine erste Reithose, Anfang der sechziger Jahre. Die Erfüllung meines lang gehegten Traumes war für meine Eltern (mit insgesamt fünf Kindern) finanziell ein ziemlicher Kraftakt. Es gab damals noch keine Reitkleidung von der Stange, weshalb die Hose maßgeschneidert werden musste … Seit fast 50 Jahren begleitet mich dieses Unikat, noch immer gut erhalten und gehütet wie kostbares Geschmeide. Keine einzige der Reithosen, die ich in den Jahrzehnten danach besessen und verschlissen habe, konnte mich je wieder so in den Zustand der Glückseligkeit versetzen, wie es diese erste tat. Und wenn ich sie in den Händen halte, dann ist das Glück der Kindheit wieder ganz nah.

Getraud Obst, Bissendorf, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn mein Freund mir morgens den Kaffee ans Bett bringt, dabei unter unsere Decke schlüpft (wir benutzen nur eine) und sich noch ein paar Minuten ankuschelt.

Melanie Seitz, München

 

Glänzend!

Dieser Mülleimer hängt in der Nähe meines Arbeitsplatzes, und sein Anblick ist für mich ein echter Stimmungsaufheller. Das war er schon, als der Eimer zunächst schlicht »vergoldet« wurde. Jetzt aber, nach der vor ein paar Tagen vorgenommenen Ergänzung, ist er es erst recht. Danke, Mannheim!

Valeska Lehner, Mannheim

 

Was mein Leben reicher macht

Seit vielen Jahren lebe ich an der Côte d’Azur und nehme oft den Bus. Immer wieder freue ich mich, wenn die Passagiere beim Aussteigen dem Fahrer ein lautes »Merci, au revoir!« zurufen. Und wenn er fröhlich »De rien!« antwortet. Kann man sich das in Hamburg vorstellen?

Ute Klar, Cannes, Frankreich

 

Strukturplan: Mein Wort-Schatz

Eines meiner liebsten Wörter ist und bleibt Strukturplan. Ich liebe es sehr, weil es alles verkörpert, was ich nicht kann und schon gar nicht will. Vielleicht bin ich noch nicht »erwachsen« genug, um mein Leben zu strukturieren. Es kommt sowieso immer alles anders, selbst wenn im Terminkalender ein kompletter Plan vorgesehen war. Meine Mutter wirft mit dem Wort »Strukturplan« ständig um sich und organisiert vor sich hin, während sie durch das Leben spurtet, als gäbe es kein Morgen. Sie hat sogar einen Strukturplan für die Berliner Bahnhofsmission, auch wenn dieser nur die Effizienz der Brötchenschmierer beinhaltet. Meine Mutter mag den Strukturplan, ich mag meine Mutter und deshalb auch das klangvolle Wort.

Aline Gallas, Trondheim, Norwegen