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Was mein Leben reicher macht

An einem Samstagmittag bei durchwachsenem Wetter ganz allein im Ummendorfer Badesee eine Runde zu schwimmen! Fische, Blesshühner und Haubentaucher lassen sich durch mich kaum stören, die Seerosen blühen in Weiß und Rosa. Ein leichter Regenschauer kommt auf, die Tropfen hüpfen direkt vor mir in einem wilden Tanz. Kaum verlasse ich das Wasser, scheint wieder die Sonne. Also Cabrioverdeck runter und schnell nach Hause! Dort erwärmen frische Dampfnudeln Körper und Geist.

Joachim Rothmund, Biberach

 

Das erste Diktat

Das ist mein erstes Diktat. Ich habe es als Erstklässlerin im Oktober 1967 geschrieben, offensichtlich stand der Buchstabe M auf dem Lehrplan. Die stolzen Eltern haben beide unterschrieben. Das Blatt hat die Zeiten überdauert und wurde mir zu einem ganz wichtigen Erinnerungsstück: Meine damalige Lehrerin ist der Grund dafür, dass ich heute (nun schon seit über 25 Jahren) selbst im Lehrberuf tätig bin, und zwar im Fach Deutsch. Der Unterricht dieser Lehrerin war so faszinierend, dass für mich gleich am ersten Schultag feststand: Das will ich auch mal machen! Geglaubt hat mir das damals keiner so recht. Aber hier stehe ich und danke meine Freude an der richtigen Berufswahl einer engagierten jungen Referendarin, die uns Erstklässler immer spüren ließ, wie wichtig und einmalig jeder von uns ist.

Doris Honig, Roth, Mittelfranken

 

Was mein Leben reicher macht

Die Erkenntnis, dass man eine einmal erlernte Fertigkeit wieder ausgraben kann. Als Kind und Jugendlicher musste ich ein Instrument spielen. Als der Zwang wegfiel, fasste ich die Geige mehr als drei Jahrzehnte lang nicht mehr an. Jetzt spiele ich wieder gern, nehme Unterricht und wende mein Können in einem Streichquartett an – auf fortgeschrittenem Anfängerniveau. Ich merke, wie es mir guttut: Ich kann mich besser konzentrieren, und die Seele freut sich über den Wohlklang. Meinen Eltern sei posthum Dank!

Volker Pfau, Öhringen

 

lulus uhu

(nach Ernst Jandl, »ottos mops«)

lulus uhu ruht
lulu: huhu uhu
lulus uhu ruft
lulu: gut uhu

lulus uhu rupft
lulus uhu murrt
lulu: du du du
lulus uhu pupst
lulu: puuuh

lulus uhu zuckt
lulu schluchzt: uhu
uhu lulus uhu guckt
lulus uhu gluckst
lulu juchzt: juhuu

Daniela Schaller, Potsdam

 

Was mein Leben reicher macht

Eine Kollegin holte mich ans Telefon: »Ein Mann möchte dich sprechen!« Am anderen Ende war mein Jüngster. Das war so ein Moment… Aus Kindern werden Männer!

Birgit Warnken, Görlitz

 

Was mein Leben reicher macht

Sieben Monate lang auf alle Bequemlichkeiten zu verzichten und dabei so viel zu gewinnen. Kein fließendes Wasser, keine Verkehrsmittel und kein klimatisiertes Büro. Stattdessen der tägliche Sprung in die kalten Wellen, Muskelkater in den Beinen und das Wetter im Gesicht. Und plötzlich erfüllen mich fünfzehn Quadratmeter trockene Holzhütte mit dem Gefühl des puren Luxus.

Moritz Mercker, z. Zt. Vogelinsel Trischen, Nordsee

 

Zeitsprung

Als Künstler waren Bildertransporte für mich unvermeidlich, ebenso Zeitsprünge. Ein Erkenntnissprung ergab sich daraus offenbar nicht, wie die Bildbeispiele belegen. 1979 brachte ich ein drei Meter langes und fast zwei Meter breites Keilrahmenleisten-Bild seitlich an meinem VW Käfer an, um es zu einer Ausstellung zu transportieren. Das schien mir die sicherste aller möglichen Befestigungen zu sein, mit Verzurrungen rund ums Auto herum. Allerdings bemerkte ich, dass ich aus der Distanz von der Besatzung eines Streifenwagens sehr geduldig beobachtet wurde. Als ich anfuhr, folgten mir die Beamten argwöhnisch – eine für mich kaum erträgliche Spannung. Doch die Polizisten ließen mich unbehelligt ziehen. Narrenfreiheit?

Als ich kürzlich wieder einmal eine Malerei (zwei mal zwei Meter) in eine Galerie bringen musste, kompensierte ich die Überbreite durch einen provisorischen Unterbau (frei nach Pythagoras). Die Fahrt verlief ohne Polizeiaufsicht. Nur der Fahrtwind trieb sein höchst aufregendes Spiel.

Dirk Schäfer, Wuppertal

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Schwiegermama erzählt uns noch immer begeistert von den Olympischen Spielen. Stundenlang hat sie am Fernseher zugeschaut. Ihre neue Liebe: Volleyball. »Ach«, meint die fast 86-Jährige, »wäre ich zehn Jahre jünger, würde ich sofort damit anfangen!«

Christel Heidemann-Schmidt, Elmshorn

 

Löschwassereinspeisestelle: Mein Wort-Schatz

Ich bin 1957 geboren und mit dem Gefühl aufgewachsen, dass es eine Schande sei, deutsch zu sein. So habe ich mich stets als Individuum und nicht als Teil einer Nation begriffen. Seit fünfzehn Jahren arbeite ich häufig in den USA, und obwohl ich gern und gut Englisch spreche, ist mir erst während dieser Reisen klar geworden, was an mir typisch deutsch ist. Das fängt schon mit meinem Namen an: das dunkle U, das rollende R und das harte K, gefolgt von einem stummen E, das sind gleich mehrere unüberwindliche Hindernisse für englischsprachige Menschen. So habe ich mich ausgesöhnt mit meinem Pass und die deutsche Sprache lieben gelernt, mit all ihrer Umständlichkeit, aber auch Genauigkeit. Wie fast jeder Geschäftsreisende, der viel Zeit in Flugzeugen verbringt, will auch ich zum Schluss nur noch nach Hause. Und wenn ich nun aus dem Land komme, wo selbst der schönste Liebesbrief als love letter in zwei Teile geteilt wird, in Düsseldorf lande und im Eingang mein Blick auf das herrliche Wort Löschwassereinspeisestelle fällt, dann weiß ich: Ich bin zu Hause, und hier gehöre ich hin!

Ulrike Voelcker, Bochum